Rei­se­be­richt: Auf kaum bekann­ten Schiffs­we­gen von Basel nach Colmar

Das klingt ver­lo­ckend: per Schiff auf dem Ober­rhein ab Basel genuss­voll nach Brei­sach fah­ren, am andern Tag durch das fran­zö­si­sche Kanal­sys­tem zur kuli­na­ri­schen Hoch­burg Col­mar. Eine auf­ge­stellte Pio­nier­rei­se­gruppe tes­tet das Ange­bot, die ich ein Jahr zuvor ent­deckt und reko­gnos­ziert habe. Die Brei­sa­cher Fahr­gast­schiff­fahrt holt uns mit ihrem Flagg­schiff Wein­land Baden in Basel um 9 Uhr ab und nimmt in Weil am Rhein noch eine wei­tere Rei­se­gruppe mit an Bord. Ich geniesse den gross­zü­gi­gen Platz, pendle wäh­rend den fol­gen­den sechs Stun­den zwi­schen dem Ober­deck, dem „Ess­tisch“ in der Nähe des fei­nen Buf­fets und dem „Schreib­tisch“ im Vor­der­schiff, wo ich mich aus­brei­ten kann. Auf­fal­lend, dass bei jeder Schleu­sung vor allem die Män­ner auf dem Ober­deck dem Gesche­hen eif­rig zuschauen, selbst bei Regen, der zwi­schen­zeit­lich auf uns ein­pras­selt. Die erste Schleuse Kembs kommt: sie bringt uns 14 Meter hin­un­ter in die ober­rhei­ni­sche Tief­ebene. Sie wurde bereits 1932 fer­tig erstellt als Folge des Ver­tra­ges von Ver­sailles 1919. Über­haupt ist die Ent­ste­hung die­ses Rhein­sei­ten­ka­nals eng ver­bun­den mit der euro­päi­schen Geschichte*.

Bald fol­gen die zwei Schleu­sen Ott­mars­heim und Fes­sen­heim. Ein Blick auf das umstrit­tene Atom­kraft­werk Fes­sen­heim wird frei, optisch hin­ter­lässt es mir kei­nen ver­trau­ens­vol­len Ein​druck​.Am 9. April 2016 ent­gin­gen wir knapp einer Kata­stro­phe: Hoch­was­ser setzte zwei Sys­teme zur Reak­tor­schnell­ab­schal­tung aus­ser Kraft. Den Reak­tor ord­nungs­ge­mäss her­un­ter­zu­fah­ren war nicht mög­lich, da sich die Steu­er­stäbe nicht bewe­gen liessen.

Mit jeder Schleu­sung wer­den wir in den bei­den Kam­mern Ott­mars­heim und Fes­sen­heim 15,5 Meter tie­fer gesetzt. Die letzte vor Brei­sach heisst Vogel­grün (oder elsäs­sisch geschrie­ben Vogel­grun – aber gleich aus­ge­spro­chen wie in der deut­schen Schreib­weise). In sol­chen Gross-Schleu­sen mit 185 Meter Länge und 22,80 Breite hät­ten sechs Schiffe unse­rer Grösse Platz. Der Güter­ver­kehr ist heute rege, vor oder nach jeder Schleuse hat es Gegen­ver­kehr. Dies führt zu „Staus“, da sich bei jeder Anlage zur Zeit die zweite Kam­mer in Revi­sion befin­det und damit die andere Kam­mer sowohl den Berg- wie den Tal­ver­kehr abwechs­lungs­weise meis­tern muss. Des­halb kom­men wir in Brei­sach spä­ter an, was aber nie­man­den stört. Brei­sach ist ein cha­rak­ter­vol­les Städt­chen, das es zu ent­de­cken gilt. Emp­feh­lens­wert ist der Besuch des drei­schif­fi­gen Ste­phans­müns­ters, gleich neben unse­rem Hotel gele­gen. Der spät­ro­ma­ni­sche Bau ist für seine kul­tur­his­to­risch bedeut­same Innen­aus­stat­tung bekann.**

Zwei­ter Reisetag

Am andern Tag bestei­gen wir MS Napo­leon. Lei­nen los für die Fahrt vom deut­schen Brei­sach zum fran­zö­si­schen Col­mar. Die Abmes­sun­gen des Neu­baues aus dem Jahr 2012 lei­ten sich von den Péni­chen ab, den frü­he­ren Last­schif­fen auf den fran­zö­si­schen Was­ser­stras­sen: 38,4 m Länge und 5.05 m Breite. Somit passt unser Fahr­gast­schiff in jede der drei Schleu­sen auf der Fahrt nach Colamr grad so knapp hin­ein. Die Raum­auf­tei­lung des Schif­fes ist ent­spre­chend „opti­miert“ – das Schiff ist für 200 Pas­sa­giere zuge­las­sen. Ange­spro­chen auf die engen Raum­ver­hält­nisse in sei­ner Steu­er­ka­bine meint Kapi­tän Tho­mas Albert, man habe im Ver­laufe des Baues das Steu­er­haus zuguns­ten einer grös­se­ren Küche „schrump­fen“ las­sen. „Grund­sätz­lich sind die Fahr­gast­schiffe heute halt schwim­mende Restau­rants gewor­den“, meint er mit etwas Weh­mut. Wäh­rend wir den Apéro genies­sen biegt die „Napo­leon“ vom Canal Neuf Bri­sach hin­ein in den alten Rhein-Rhone-Kanal. Davor und dahin­ter ist diese his­to­ri­sche Was­serst­essse z.T. auf­ge­schüt­tet. Mit dem Bau des Kanals wurde 1784 begon­nen, er konnte 1833 in Dienst gestellt wer­den. Der alte Rhein-Rhône-Kanal ver­lief also ursprüng­lich nicht wie heute zum Doubs, son­dern Rich­tung Mül­hau­sen und wei­ter über Col­mar nach Stras­bourg. Diese Stre­cken­füh­rung wurde dann durch den Rhein-Sei­ten­ka­nal ersetzt.

Hun­derte von wil­den Kisch­bäu­men säu­men den Kanal. Die Rei­se­teil­neh­me­rin Susi Boss­hard: „Es ist, als ob ein Gar­ten vor­bei fährt.“ Vögel aller Art begeis­tern Orni­tho­lo­gen. Zwi­schen­durch wird der Blick frei auf Mais- und mit rotem Mohn durch­set­zen Getrei­de­fel­der. Auch heute sorgt ein fei­nes Schiffs-Buf­fet für zusätz­li­che Anwechs­lung und die badi­sche Wein­karte lässt keine Wün­sche offen. Kurz vor Col­mar que­ren wir den Fluss Ille, danach geht es ein kur­zes Stück auf das Gewäs­ser Lauch, das sei­nen Namen vom frü­he­ren Gemü­se­han­dels­weg hat. Ein Extrabus bringt uns dann in die Stadt. Zu Fuss durch Col­mar besu­che ich das soge­nannte Klein-Vene­dig, um die Lauch noch­mals auf einer „Colmarsch’en Gon­del“, einer mit Elek­tro­mo­tor ange­trie­be­nen Barke, zu genies­sen. Sau­er­kraut- und Wurst­duft und das Feh­len der Rialto-Brü­cke zeigt an, dass wir uns doch nicht in Ita­lien befin­den. Die Bahn fährt uns zum Aus­gangs­punkt Basel zurück. Der Mei­nung von Ruth Stu­di­ger: „Es hat alles sehr gut geklappt und es hat uns wun­der­bar gefal­len“, haben sich auch die andern Teil­neh­men­den angeschlossen.

Die „Wein­land Baden“ holt uns in Basel ab.

Blick auf den Ver­lauf des «Grand Canal d’Al­sace» wie der Rhein­sei­ten­ka­nal von den Fran­zo­sen genannt wird.

Der Kon­trast zur gros­sen Was­ser­strasse Rhein zum win­zi­gen Kanal­sys­tem zwi­schen Brei­sach und Col­mar könnte nicht grös­ser sein. Zahl­rei­che Brü­cken, drei Schleu­sen und vier ver­schie­dene Abschnitte von befahr­ba­ren Kanä­len sor­gen für Kurz­weil und Abwechs­lung auf unse­rer Genuss­fahrt nach Colmar.

Soeben biegt das Schiff vom alten Rhein-Rhone-Kanal recht­wink­lig in den Canal de Col­mar ein.

Pit­to­reske Bil­der unter­wegs nach Colmar

Kapi­tän Tho­mas Albert gewährt uns einen Blick ins Steu­er­haus der „Napo­leon“.

Die Stadt Col­mar im Quar­tier Petite Venice mit ihren Fach­werk­häu­sern vom Was­ser aus betrachtet.

Bil­der im Text­teil: 1) In den 185 m lan­gen Schleu­sen­kam­mern ver­schwin­det unsere «Wein­land Baden» gera­dezu. 2) Die «Napo­leon» hat die Abmes­sun­gen der Peni­che, damit sie alle Kanäle Frank­reichs befah­ren kann. Die Opti­mie­rung der Platz­ver­hält­nisse ver­un­mög­li­chen es, dass das Schiff eines Tages einen Des­gin-Preis gewinnt… 3) Attrak­tive Was­ser­ver­bin­dung Brei­sach – Col­mar; lei­der unter­hal­ten die Elsäs­ser die Was­ser­stras­sen schlecht, sodass Ver­lan­dun­gen diese Schiffs­ver­bin­dung gefährtet.

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Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Wei­ter im Text

*) Zum Rhein-Sei­ten­ka­nal: Link

**) Zum Brei­sa­cher Ste­phans­müns­ter: Link

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Text und Bil­der H. Amstad (aktua­li­siert 03.2021)

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