Rei­se­be­richt: inter­es­sante Schiff­fahrts­ge­schichte Pfäf­fi­kersee und Boots­bau Lee­mann begeistern.

Das Rei­se­an­ge­bot der Schiffs-Agen­tur mit den zwei Schif­fen Tödi und Stof­fel auf dem klei­nen aber fei­nen Zür­cher Ober­land­see erfreute sich strah­len­dem Wet­ter und glück­li­chen Teil­neh­men­den. Nach einem Spa­zier­gang vom Sam­mel­punkt Bahn­hof zum See emp­fängt uns ein wun­der­ba­rer Blick: die Quai­an­lage von Pfäf­fi­kon ist gross­zü­gig und ein­la­dend. Die bei­den weis­sen Schiffe mit der rot-weis­sen Schwei­zer­flagge am Heck sind ein herr­li­cher Anblick; die Ele­ganz der yacht­ar­ti­gen Scha­len springt ins Auge. Im nahe­ge­le­gen Museum am Pfäf­fi­kersee begrüsst uns der Lokal­his­to­ri­ker Ernst Bän­teli zu einem unter­halt­sa­men und inter­es­san­ten Vor­trag über etwas, wor­über es kaum Lite­ra­tur* und Unter­la­gen gibt: zum einen über die Ent­wick­lung der Schiff­fahrt auf dem Pfäf­fi­kersee und zum andern über die natio­nal bedeu­tende Schiffs­werft Lee­mann in Pfäf­fi­kon. Er berich­tet aus­ser­dem über ein tol­les Pro­jekt: „Das erste Schiff der Bau­werft Lee­mann, das MB Hecht aus dem Jahre 1911, wird im nächs­ten Jahr wie­der auf den Pfäf­fi­kersee zurückkehren.“**

1910/11 erbaute Emil Lee­mann jun., Sohn des Hecht-Wirts Emil Lee­mann sen. in Pfäf­fi­kon das erste Motor­boot Hecht und eröff­nete damit den Betrieb auf dem Pfäf­fi­kersee. Der Sta­pel­lauf erfolgte am 21. Mai 1911, was die Geburts­stunde der öffent­li­chen Schiff­fahrt bedeu­tete. Mit die­sem Boot rich­tete er dann 1916 einen regel­mäs­si­gen Schiffs­ver­kehr ein, der Pfäf­fi­kon, See­grä­ben, Roben­hau­sen (Wet­zikon) und Aus­li­kon ver­band. 1939 ver­un­glückte Lee­mann bei einer Test­fahrt mit einem von ihm kon­stru­ier­ten Renn­boot. Bei einem extre­men Wen­de­ma­nö­ver kippte das Boot. Wäh­rend sich seine Beglei­te­rin ret­ten konnte, ver­fing sich Lee­mann unter dem Boot und ertrank. 1941 musste die Schiff­fahrt für die Kriegs­zeit infolge Ben­zin­man­gels ein­ge­stellt wer­den. Nach dem Tod von Emil Lee­mann kaufte die Gemeinde die Lie­gen­schaft der Boots­werft Lee­mann und ver­mie­tete sie ab 1942 an Willy Schau­fel­ber­ger, der bei Lee­mann Boots­bauer lernte und ange­stellt war. Zur Zeit betreibt die zweite Gene­ra­tion Schau­fel­ber­ger die Schiff­fahrt auf dem Pfäf­fi­kersee. Els­beth Bieri-Schau­fel­ber­ger hat als Toch­ter von Willy zusam­men mit ihrem Mann Hans den heu­ti­gen Betrieb über­nom­men. Hans Bieri: „Der Über­gang ging flies­send, ich habe seit Anfangs der Sech­zi­ger­jahre mit­ge­ar­bei­tet. 1994 starb Willy Schaufelberger.“

Unsere Ent­de­ckungs­fahrt beginnt mit einem Will­kom­men­s­apéro an Bord; ver­schie­dene For­ma­ti­ons­fahr­ten ermög­li­chen schöne Foto­sujets. Mit­ten im See gibt es eine Mög­lich­keit, durch Umstei­gen auch das andere Schiff zu erle­ben, respek­tive das andere Boot fah­rend zu sehen. Die voll­stän­dig aus Holz erbau­ten Boote kom­men ins Alter, wo wei­tere Über­ho­lungs­ar­bei­ten anste­hen. Die Die­sel­pumpe der „Tödi“ stockt mit zuneh­men­der Betriebs­dauer, sodass wir für den zwei­ten Teil der Rund­fahrt im Kon­voi fah­ren. Die „Stof­fel“ über­nimmt somit den Antrieb für beide und legt auch gekonnt an der Anle­ge­stel­len See­grä­ben an. Ein kur­zer Spa­zier­gang führt zum Erleb­nis­bau­ern­hof Jucker, wo uns – mit Blick auf den Pfäf­fi­kersee – ein Zabig­plättli erwartet.

Von hier aus über­blickt man nicht nur den gan­zen, drei Qua­drat­ki­lo­me­ter gros­sen See (537 müM), son­dern auch den ein­flies­sen­den Chämt­ner­bach (von Kemp­ten kom­mend) und fast dane­ben den Aus­fluss Aa, der dann spä­ter in Nie­de­rus­ter in den nahe gele­ge­nen Grei­fen­see (439 müM) mün­det. Die Aa ist beson­ders inter­es­sant, bil­dete die­ser Kanal doch wäh­rend Jahr­zehnte eine direkte Schiffs­ver­bin­dung bis nach Roben­hau­sen bei Wet­zikon. Am 27. April 1916 wurde diese Schiff­fahrts­li­nie im Bei­sein von Behör­den- und Gewer­be­ver­tre­tern gefei­ert. Die Fahrt von Pfäf­fi­kon zum Lan­dungs­steg in Roben­hau­sen bei Wet­zikon dau­erte damals 17 Minu­ten. Diese his­to­risch inter­es­sante Ver­bin­dung wurde mit der „Hecht“ und der etwas spä­ter auch bei Emil Lee­mann erbau­ten „Ober­land“ sicher gestellt. 1941 been­dete man diese Ver­bin­dung offi­zi­ell, befah­ren wurde der Kanal aber noch spä­ter. Ich erin­nere mich noch, wie ich in den Sieb­zi­ger­jah­ren mit Willy Schau­fel­ber­ger die Ste­cke befuhr. Wäh­rend bei einem mei­ner spä­te­ren Besu­che 1984 noch im 20-Minu­ten­takt ab 14.00 Uhr die Sta­tio­nen Pfäf­fi­kon, See­grä­ben und Aus­li­kon ange­fah­ren wur­den, ist auch dies heute lei­der nicht mehr mög­lich. Hans Bieri: „Seit eini­gen Jah­ren unter­sagt uns der Kan­ton Zürich einen fahr­plan­mäs­si­gen Betrieb, nur noch Bedarfs­fahr­ten auf Bestel­lung sind erlaubt.“

Unsere Rück­fahrt mit der „Stof­fel“ vom Jucker­hof zurück nach Pfäf­fi­kon bestä­tigt es allen: es ist so fried­lich auf dem See; die ele­gan­ten und lei­sen Boote machen kei­nen Wel­len­schlag und ver­ur­sa­chen keine Umwelt­be­ein­träch­ti­gun­gen. Dies kön­nen auch Siri und Oskar Kirch­mann aus dem Thur­gaui­schen, die mit Freun­den zusam­men mit von der Par­tie sind, bestä­ti­gen: „Uns hat die ganze Stim­mung am und auf dem See sehr gefal­len. Es ist ein ganz spe­zi­el­ler Ort und wir fin­den es super, dass um den See ein Natur­schutz­ge­biet ist. Und die Aus­sicht vom Jucker­hof ist ein­ma­lig.“ Ich fragte sie neben­bei, wie sie auf unser Ange­bot auf­merk­sam wur­den. Siri Kirch­mann: „Meine Schwes­ter arbei­tet auf dem DS Skiblad­ner auf dem nor­we­gi­schen Mjø­sa­see. Sie hat auf Face­book die Reise der Schiffs-Agen­tur gepos­tet und machte uns so glusch­tig auf die Fahrt auf dem Pfäffikersee“.

Zwi­schen­über­schrift

Die heute für uns ein­ge­setzte „Stof­fel“ wurde in Lugano um 1933 erbaut und auf dem Luga­n­er­see ein­ge­setzt. 1939 kam sie auf den Zeit­punkt der Landi zu einem Boots­ver­leih in der Stadt Zürich, 1963 dann als „Rex“ auf den Walen­see zur Schif­fer­fa­mi­lie Wal­ser. 1967 sank das Schiff im Linth­ka­nal. Willy Schau­fel­ber­ger konnte es danach erwer­ben, hob es und holte es an den Pfäf­fi­kersee. Es wurde gründ­lich über­holt und nach 35 Jah­ren für eine Rund­erneue­rung aufs Tro­ckene geholt. „Rund 500 Arbeits­stun­den wur­den inves­tiert, bis das Schiff wie­der im neuen Glanz erstrahlte. Es war ein rich­ti­ges Fami­li­en­pro­jekt, bei dem jeder sei­nen Bei­trag geleis­tet hat“, erin­nert sich der Schwie­ger­sohn Hans Bieri noch heute. 1969 kam es dann auf dem Pfäf­fi­kersee in Betrieb.

Unser zwei­tes Schiff, die 1907 erbaute „Tödi“, ersetzte 1955 die alte „Ober­land“ I, die 1968 abge­bro­chen wurde. Die Vor­ge­schichte des MB Tödi gilt es noch zu erfor­schen. Willy Schau­fel­ber­ger erzählte mir anfangs der Ach­zi­ger­jahre, dass es in Steck­born erbaut wurde und bei Gott­lieb Fül­le­mann in Ror­schach im Ein­satz stand. Ob es sich dabei um das MB Luna han­delt? Gesi­chert ist, dass Willy Schau­fel­ber­ger das Boot 1955 vom Thu­ner­see nach Pfäf­fi­kon holte und es “Tödi“ taufte.

Ernst Bän­teli sieht ver­schie­dene Ursa­chen, warum die Schiff­fahrt auf dem Pfäf­fi­kersee seit jeher ein Mau­er­blüm­chen­da­sein fris­tet: „Bereits bei der Ein­füh­rung der Lini­en­schiff­fahrt gab es zahl­rei­che Beschwer­den, Pro­teste und Rekurse, weil sich die Bevöl­ke­rung von der Schiff­fahrt beläs­tigt fühlte. Ab dem 2. Welt­krieg bis 1970 war zudem der Pfäf­fi­kersee Ort von Schiess­übun­gen. Die Venoms und Vam­pi­res flo­gen von Düben­dorf aus und bom­bar­dier­ten zu Übungs­zwe­cken Ziele im See. Aus­ser­dem setzte sich mit der Zeit die Erkennt­nis durch, dass die Distan­zen zu kurz seien für eine öffent­li­che Schiff­fahrt.“ Viel­leicht haben gerade diese Umstände dazu geführt, dass der Pfäf­fi­kersee eine authen­ti­sche, his­to­risch ein­ma­lige Flotte von Motor­boo­ten vor­zu­wei­sen hat, die es sonst welt­weit nir­gends mehr zu bewun­dern gilt. Ab 2017 sind es dann wie­der drei Boote wie vor 20 Jah­ren, dann mit einem Durch­schnitts­al­ter von genau 100 Jahren!

Froh­ge­launte Rei­se­gruppe der Schiffs-Agen­tur an Bord der „Stof­fel“ an der Anle­ge­stelle Seegräben.

MB Tödi spie­gelt sich im Pfäffikersee.

Hans Bieri steu­ert hier die „Tödi“ und sonst das Geschick des Motor­boot­be­trie­bes (im Hin­ter­grund MB Stoffel).

Ob der Wein vom andern Schiff bes­ser schmeckt? Es scheint so – im Kon­voi der bei­den Schiffe.

Die Boote bie­ten zusam­men 75 Per­so­nen Sitzplätze.

Die alt­ehr­wür­di­gen Lee­mann-Ruder­boote berei­chern optisch den wun­der­schö­nen Pfäf­fi­kersee und ergän­zen sti­lis­tisch die Personenschiffe.

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Quel­len

*) Dampf­er­zei­tung 4/1984 (statt „Leh­mann“ sollte es „Lee­mann“ heis­sen) / **) Stif­tung His­to­ri­sche Zürich­see Boote (Link) / Pro­to­koll Gemein­de­rat Pfäf­fi­kon zur Bewil­li­gung der Sta­tio­nie­rung der „Hecht“ (Link).

Text und Bil­der H. Amstad.

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