Rei­se­be­richt: Stim­mungs­volle Novem­ber­fahrten auf dem Zürcher Rhein und Zürichsee.

Es ist ein trost­loser November-Sonntag: nass, windig, kalt. Manch einer denkt sich beim Auf­stehen: „Muss das sein, heute?“. Man hat sich ange­meldet, rafft sich auf und sagt sich am Ende des Tages: „Es hat sich gelohnt, es war toll.“ Von den äus­ser­lichen Bedin­gungen abge­sehen waren die beiden Fahrten auf den Zürcher Gewässern in der Tat ein Erlebnis. Die Rei­se­teil­neh­menden der Schiffs-Agentur haben sich in Eglisau ein­ge­funden, wo uns das Flagg­schiff der Schiff­fahrts­un­ter­nehmung von Heinz und Made­laine Fri­gerio (Schiff­fahrts-Gesell­schaft Züri-Rhy SZR AG) im wohlig geheizten Salon der „Rhystern“ emp­fängt. Das Zweideck-Schiff mit der kan­to­nalen Imma­tri­ku­la­ti­ons­nummer 1919 ist 1993 in Ober­winter am Rhein erbaut worden. Auf der Fahrt von Eglisau hin­unter zum Stauwehr Eglisau-Glatt­felden geniessen wir an Bord ein aus­gie­biges Frühstück.

Rhein­auf­wärts zur Tössegg fahrend macht mich der Rei­se­teil­nehmer Alois Böni steu­er­bord­seitig auf ein unschein­bares, getarntes Tor auf­merksam. Er weiss darüber Spa­nendes zu berichten: „Dahinter befindet sich der Eingang zum Öltank-Lager der Migrol“. Bis in die 70er-Jahre exis­tierten kon­krete Pläne, den Rhein von Basel bis Bregenz am Bodensee schiffbar zu machen. Migros-Gründer Gottlieb Dutt­weiler legte deshalb hier in Eglisau ein unter­ir­di­sches Tank­lager an. In Töss­rie­deren ent­standen so auf einer Fläche von 40 000 m² 200 Tanks. Die Schiff­bar­ma­chung des Rheins wurde dann aus wirt­schaft­lichen Gründen fallen gelassen – nichts wurde aus Gottlieb Dutt­weilers Vision von einem Hafen für grosse Tank­schiffe in Eglisau. Das Pio­nierwerk wurde nutzlos. Seitdem rosten die unter­ir­disch ange­legten Tanks vor sich hin; sie wurden schlicht ver­gessen. Nur den Wan­derern fielen die über­wach­senen Beton­bauten, Türen und Schacht­deckel auf.

Als der Kanton Zürich 2015 ein Kataster über Standorte mit Belas­tungen im Boden erstellte, kam das Tank­lager in Eglisau „auf den Radar“ der Behörden. Die Belastung im Boden sei zwar nicht gra­vierend, sagte ein Medi­en­sprecher des Kantons, da die Anlage aber sanie­rungs­be­dürftig sei, werde das Tank­lager aber lang­fristig zu einem Sicher­heits­problem. Der Kanton und die Gemeinde Eglisau haben nun zusammen mit dem Eigen­tümer und der Pflicht­la­ger­or­ga­ni­sation der schwei­ze­ri­schen Mine­ral­öl­wirt­schaft einen Verein gegründet, um den Rückbau des Tank­lagers ab 2018 umzusetzen.

Nur wenige Hundert Meter oberhalb dieser Stelle fällt mir bei der Ein­mündung der Töss auf, dass im Rhein mannshohe Baum­strümpfe die Schiff­fahrt behindern. Ich frage den Kapitän und Geschäfts­führer Heinz Fri­gerio nach den Gründen: „wegen eines Rena­tu­rie­rungs­pro­grammes des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft AWEL des Kantons Zürichs geht hier seit einigen Jahren nichts mehr.“ An sich sei das Ganze eine gute Sache, nehme aber auf die bestehende Schiff­fahrt zu wenig Rück­sicht, blickt Figerio sor­genvoll in die Zukunft. Das Fahr­gebiet für seine drei grossen Schiffe ist bereits heute ein­ge­schränkt: n rossen Schiffe ist bereits ein­ge­c­jrhrt zu wenig Rück­sicht. «Wir können nur noch bis Rüd­lingen ver­kehren, weil danach wegen der Umge­staltung der Thur­mündung Sand­bänke ein Wei­ter­kommen ver­hindern.“ Nebst dem wirt­schaft­lichen Schaden für das Unter­nehmen bedeutet dies eine Attrak­ti­ons­ein­busse für den Tou­rismus wie für die beliebten Schul­reisen. Im Ausland beob­achte ich eine andere Taktik: dort wird bei Natur­schutz­pro­jekten die Schiff­fahrt aktiv mit­ein­be­zogen oder gar neu ein­ge­führt. Diese Behörden begründen die Unter­stützung der Schiff­fahrt aus erzie­he­ri­schen, päd­ago­gi­schen Gründen: Natur­schutz gehe nur mit dem Faktor Mensch. Dieser werde gerade durch das sanfte Ver­kehrs­mittel Schiff darauf sen­si­bi­li­siert, argu­men­tieren sie. Für mich ist dies geschickter PR-Gedanke, wo es nur Gewinner gibt. Statt­dessen setzt der Kanton Zürich auf eine radikale, wenig kom­pro­miss­be­reite Umsetzung, was ich als Schiffs- wie als Natur­lieb­haber bedaure.

Dem­nächst „blüht“ der SZR eine nächste Rena­tu­rie­rungs­phase bei der Töss­mündung, wo auch seine Schiffs­hütte und die Anle­ge­stellen für alle Schiffe stehen. Aus­ge­baggert wird schon lange nichts mehr; im Gegenteil: Fri­gerio wird auf Kosten des Kantons seine Werft­anlage um rund 100 m rhein­auf­wärts neu bauen müssen, um an der heu­tigen Stelle ein Flachufer zu rea­li­sieren. Wegen finan­zi­ellen Eng­pässen ist dieses Projekt zur Zeit aller­dings sistiert.

Zurück in Eglisau ange­langt geht unsere „Reise“ mit Spa­zier­gängen und S‑Bahnen nach Feld­meilen, wo uns der 88-jährige Old­timer Mönchhof erwartet. Auf der Rund­fahrt im unteren Zürich­see­becken erleben wir dann zwei seltene Ereig­nisse. Vor Rüsch­likon stoppt unser Kapitän Thomas Brö­nimann das Schiff, um eine see­män­nische Gedenk­minute zu halten. Ein 30 Sekunden dau­ernder Schiffs­horn­stoss gedenkt dem Dampf­schiff­ka­pitän Bruno Bert­schinger, der gestern gestorben ist. Bert­schinger war der Schwie­ger­vater von Thomas. Bei der ehe­ma­ligen ZSG-Anle­ge­stelle Mönchhof legen wir dann für einen Fotohalt an: somit können unsere Schiffs­lieb­haber das gleich­namige Schiff mit „seiner“ Schifflände foto­gra­fisch festhalten.

Noch älter als die drei alten Fotos (rechte Seite) sind diese Bil­lette: sie stammen aus der Aera Köl­liker um 1955.

Die Geschichte der „Mönchhof“ zwi­schen dem Baujahr 1929 bis 1966 ist im (B)Logbucheintrag vom 12.11.2012 bereits beschrieben. Nachdem das Schiff von Genf via Neu­enburg 1966 nach Biel gelangte, bekam es bei der BSG bereits seinen vierten Namen: Romandie II. 1973 ver­schwand dann die „II“, weil keine Namens­vettern mehr vor­handen waren. 1976 gab es den grössten Umbau in der Geschichte des Schiffes: das Vor­schiff erhielt ein festes Deck, der offene Steu­er­stand wich einem Steu­erhaus im Vor­schiff und die „II“ wurde beim Namen wieder dazu gesetzt… Der Salon bekam eine Heizung und die Maschine wurde zur Selbst­be­dienung umgebaut, sodass ein Einmann-Schiff ent­stant. Die so reno­vierte „Romandie II“ war nun auch für den Win­ter­dienst zwi­schen La Neu­veville und Erlach im öV-Verkehr zum Einsatz gekommen. Die BSG ran­gierte 2005 das Schiff aus und Leo Ullmann aus Zürich übernahm es. Bereits 2006 kam es zum heu­tigen Eigen­tümer, Marcel Capecchi vom Restau­rant­be­trieb Mönchhof, der es ent­spre­chend zum sechsten Mal umtaufte.

Zur mor­gend­lichen Fahrt emp­fängt uns das SZR-Flagg­schiff Rhystern in Eglisau (im Hin­ter­grund die Brücke hinüber zum Bahnhof).

Made­laine Fri­gerio prä­pa­riert die Platten zum Zmorge-Buffet.

Bereits geht’s los mit ange­regten Gesprächen beim aus­gie­bigen Früh­stück, im Hin­ter­grund pas­sieren wir Eglisau.

Die Töss bringt immer mehr Geschiebe in den Rhein; wegen des Rena­tu­rie­rung­pro­grammes des Kantons Zürich wird es für die Schiff­fahrt immer enger. Bereits kann der Steg 1 der SZR nicht mehr anzu­ge­fahren werden.

Am Nach­mittag huschen die Rei­se­teil­neh­menden der Schiffs-Agentur „unter dem Regen durch“ in Herr­liberg auf die „Mönchhof“.

An der Rückwand des Schiffes hängen Bilder aus ver­gan­gener Zeiten; das Win­terbild ist datiert mit dem 22. Februar 1985, abge­bildet ist das Schiff als „Romandie II“ im Pend­ler­dienst La Neu­veville – Erlach.

Thomas Brö­nimann steuert das Schiff über den herbstlich-stür­mi­schen Zürichsee.

Ein sel­tenes Manöver: Unser Zwi­schenhalt bringt die „Mönchhof“ zur Station Mönchhof.

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Quellen

Text und Bilder H. Amstad,

Bil­lette Sammlung R. Bucher.

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