Rei­se­be­richt: Vier­wald­stätter­see-Spe­cials Ober­matt, See­rose, Dampferparade

Diese Kom­bi­na­tion ist ein­ma­lig: feine Älp­ler­ma­gro­nen in einem Restau­rant, das nur per Schiff (oder müh­sa­mem Fuss­weg) zu errei­chen ist, eine Füh­rung auf der See­rose, dem roten Stahl­ve­hi­kel zu Ehren 200 Jahre Gast­freund­schaft Inner­schweiz und die Beglei­tung aller fünf SGV-Rad­damp­fer „Tanz der Dampf­schiffe“ am einem ein­zi­gen Tag. Das kalte Wet­ter macht mit Bisen-Hoch­ne­bel nicht ganz mit, aber tro­cken ist es wenigs­tens. Bereits die Fahrt auf der 1963 von der Por­tier-Werft (Mei­len) erbau­ten „Lucerne“ sorgt für gute Stim­mung. Das Paar Denise (Gas­tro und Mat­ro­sin) und Geri Inei­chen (Schiff­füh­rer) bie­ten den gan­zen Tag für bes­ten Ser­vice; die 24 Teil­neh­men­den haben im 60-Per­so­nen­schiff bequem Platz.

Die „Lucerne“ fährt bei der St. Niklau­sen Schiff­ge­sell­schaft SNG. Die SNG gehört neben der SGV (mit 19 Schif­fen) und der Charles Bucher See­rei­sen AG (mit 5 Schif­fen) zu den drei gros­sen auf dem Vier­wald­stätter­see und fällt durch eine viel­fäl­tige und ori­gi­nelle Flotte auf. Dazu gehört nebst dem form­schö­nen MS Lucerne (1963 bei Charles Bucher, seit 1991 bei der SNG) auch das ehe­ma­lige Grei­fen­see­schiff Salo­mon Lan­dolt (Bodan 1978), das als „Dra­gon“ seit 1995 bei der SNG unter­wegs ist. 1999 kam der Neu­bau Spi­rit of Lucerne (Has­ler Werft Rotz­loch) dazu und letz­tes Jahr die „See­bär“ von der Würth-Werft in Küss­nacht (vor­mals Her­ten­stein). Die Perle der Flotte ist die „Nico­las“, das älteste Pas­sa­gier­schiff auf dem Vier­wald­sät­ter­see über­haupt, ein Holz­boot für 19 Per­so­nen aus dem Jahr 1900. In die­sen Tagen macht die SNG einen Quan­ten­sprung und nimmt aus dem Hause Stahl­bau Mül­ler aus Spes­sart* ihre sechste Ein­heit in Betrieb. Das Schiff wird Basel am 2. Okto­ber errei­chen, dann über Land nach Stans­stad gebracht und dort am 8. Okto­ber ein­ge­was­sert. Das 200-Per­so­nen-Luxus­schiff ist mög­li­cher­weise eine Ant­wort auf die Inbe­trieb­nahme der „Saphir“ der Kon­kur­ren­tin SGV, die mit den Sight­see­ing-Tou­ren gros­sen Erfolg hat**. Ursprüng­lich war geplant, „unsere“ Lucerne im nächs­ten Jahr aus­zu­ran­gie­ren. Der Ver­wal­tungs­rat hat jetzt aber ent­schie­den im Kon­text der guten Nach­frage die­ses Old­ti­mer-Motor­schiff zu restau­rie­ren und neu zu moto­ri­sie­ren. Noch ist der ori­gi­nale, über 50-jährge GM V8-Motor an Bord.***

Dem Bür­gen­berg ent­lang geht die Fahrt in Rich­tung Ober­matt. Wirt Peter Murer emp­fängt (und ver­ab­schie­det) uns per­sön­lich als Brü­cken­wart. Seine Älp­ler­ma­gro­nen sind oft beschrie­ben und auch Samih Sawiris (Mit­in­ha­ber des MS Reuss, ex-SGV) macht hier regel­mäs­sig Besu­che. Idyl­lisch gele­gen ist diese Sied­lung schon, vor allem im Som­mer sind die Son­nen­un­ter­gänge legen­där. Zwi­schen Okto­ber und Ostern ist das Restau­rant geschlossen.

Die „Lucerne“ nimmt uns wie­der auf und nach kur­zer Fahrt errei­chen wir den Boots­ha­fen von Vitz­nau beim Restau­rant Schiff. Die Tage die­ses belieb­ten Schif­fer-Treff­punk­tes sind gezählt; der öster­rei­chi­sche Inves­tor Peter Püh­rin­ger hat Hotel und Land gekauft. Die Fans sind gespannt, was er mit dem Bug und Steu­er­haus der alten DS Pila­tus der­einst pas­siert. Im Zen­trum unse­res Inter­es­sens aber ist die Kul­tur­bühne See­rose****. Yves Umbricht, der tech­ni­sche Lei­ter des schwim­men­den Kul­tur­ge­bil­des, gewährt uns einen Blick hin­ter die Kulis­sen. Die Künst­ler­gar­de­ro­ben, Büros und die gas­tro­no­mi­sche Infra­struk­tur sind im Unter­ge­schoss in je einem der drei Schot­ten unter­ge­bracht. Umbricht: „Zwei der drei Schot­ten könn­ten geflu­tet wer­den, ohne dass die See­rose sin­ken würde.“ Auf der Platt­form selbst gefal­len mir die 12 Grund­blät­ter, die als Aus­buch­tun­gen in den See ragen und zum Ver­wei­len ein­la­den. In der Mitte die­ses Haupt­de­ckes bil­det eine Bar und ein Selbst­be­die­nungs­re­stau­rant das tra­gende Ele­ment des Auf­baues. Geschwun­gene Trep­pen füh­ren auf das Ober­deck der schwim­men­den Platt­form in einen von der Tri­büne gebil­de­ten, gedeck­ten Bereich im Aus­sen­kreis der See­rose. Wie im Zir­kus füh­ren dann Gänge zur Bühne, von wo aus die gestuf­ten Zuschau­er­bänke mit 400 Sitz­plät­zen erreicht wer­den. Acht Blü­ten­blät­ter bil­den dann das Dach; sie kön­nen hydrau­lisch geschlos­sen und geöff­net wer­den. Die See­rose war ab dem 29. Mai an sechs ver­schie­de­nen Orten anzu­tref­fen: Luzern, Stans­stad, Brun­nen, Alpnach­stad, Flüelen und jetzt in Vitz­nau. Mit 67 000 Besu­chen­den wur­den die Erwar­tun­gen über­trof­fen. Nun wird die See­rose vom Ver­ein MuTh (Musik und Thea­ter) in Vitz­nau als Teil eines natio­na­len Jugend­zen­trums für die Musik- und Thea­ter­för­de­rung über­nom­men ana­log dem Cen­tro Spor­tivo in Ten­ero. Die Bewil­li­gung liegt bis 2018 vor.

Zum Abschluss des Tages führt uns Geri Inei­chen mit sei­nem Schiff zur Flot­ten­pa­rade der SGV-Damp­fer. In Vitz­nau holt die „Gal­lia“ das Kurs­schff Stadt Luzern ab (Kurs 24) ab. MS Rigi (Kurs 25), DS Schil­ler und DS Unter­wal­den durch­fah­ren dann in der Linie die Gasse der „Gal­lia“ und “Stadt Luzern“. Nach dem Wen­de­ma­nö­ver beglei­ten diese Damp­fer in Weg­gis DS Uri (Sup­ple­ment-Kurs 24), wo dann für kurze Zeit alle fünf in der Gän­se­marsch-For­ma­tion zu bewun­dern sind. Die „Gal­lia“ fällt dann bei Her­ten­stein etwas zurück. Die Pär­chen „Stadt“ und „Unter­wal­den“ sowie „Schil­ler“ und „Uri“ bil­den dann ein Vier­eck und fah­ren mit Kurs­ge­schwin­dig­keit dem Kreuz­trich­ter zu. Von unse­rem Begleit­schiff aus bleibt uns nur ein gros­ses Stau­nen, als dann die „Gal­lia“ mit 60 Umdre­hun­gen die Minute zwi­schen den Pär­chen hin­durch­jagt, beglei­tet mit einem herr­li­chen Pfeiff­kon­zert. Im Luzer­ner See­be­cken gibt es wei­tere For­ma­tio­nen zu bestau­nen. Wäh­rend DS Stadt Luzern und DS Uri als Kurs­schiff zur den Lan­dungs­brü­cken fah­ren, um die Zugs­an­schlüsse zu gewähr­leis­ten, stel­len sich DS Unter­wal­den, DS Gal­lia und DS Schil­ler vor der See­brü­cke Luzern zur Parade auf, ein sehr schö­nes Abschluss­bild, bevor dann unsere „Lucerne“ am Schwei­zer­hof­quai festmacht.

Rei­se­teil­neh­me­rin Gabi Bart: „Die Damp­fer­pa­rade hat mich sehr beein­druckt und ich habe sie so aus die­ser Nähe und Sicht auch noch nie erlebt. Die Kraft der Schau­fel­rä­der hat mich fas­zi­niert und es ist gewal­tig, wenn alle fünf majes­tä­ti­schen Dampf­schiffe neben­ein­an­der fah­ren und gleich­zei­tig hor­nen. Zusam­men mit der neb­li­gen Stim­mung auf dem Vier­wald­stätter­see war das ein ganz mys­ti­scher und ein­ma­li­ger Moment. Natür­lich war es auch wun­der­bar in die­sem Rah­men meine ehe­ma­li­gen Schiffs­kol­le­gin­nen der SGZ wie­der zu tref­fen und mit ihnen über alte und neue Geschich­ten auf dem See zu reden. Die ‚Schiffsen­gel’ haben den Event sehr genossen!»

MS Lucerne fährt uns zum ers­ten von drei erleb­nis­rei­chen Orten:

… zur Ober­matt, einem klei­nen Wei­ler an der Nord­flanke des Bür­gen­ber­ges, unge­fähr in der Mitte der unte­ren Nase gelegen.

Schiff­bau anfangs der Sech­zi­ger­jahre: ein Blick ins Steu­er­haus von Schiff­füh­rer Geri Ineichen.

Blick auf die 14 Are grosse «See­rose», der schwim­men­den Kon­zert- und Thea­ter­bühne, hier in Vitznau.

Die drei Rad­damp­fer Unter­wal­den, Gal­lia und Schil­ler begrüs­sen die Zuschauer auf der See­brü­cke mit einem lan­gen Pfiff.

Ob die „Lucerne“ der Nach­welt erhal­ten bleibt, ist offen.

Text und Bil­der H. Amstad (aktua­li­siert 30.10.2020)

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Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Hin­weis

Der Film zum Event: ein Video über die Dampf­schiff-Parade von Willi v. Arb: Link

Bemer­kun­gen

*) Stahl­bau Mül­ler baute unter ande­rem MS Napeléon von der Brei­sa­cher Fahr­gast­schiff­fahrt oder auch die neue Anle­ge­stelle der SNG in Luzern im Jahr 2009.

**) MS Saphir ver­kehrt im kom­men­den Som­mer mit einem Kurs­paar mehr gegen­über 2015 und bedient in Luzern nur noch die Sta­tion Schwei­zer­hof­quai. In die­sem Jahr war das Schiff oft bis auf den letz­ten Platz besetzt.

***) Nach­trag 2020: Nach Aus­kunft von Beat Plüss, Geschädtsfüh­rer der SNG, soll die «Lucerne» den Vier­wald­stätter­see 2021 verlassen.

****) 2015 ist in der Zen­tral­schweiz das Jahr der Gast­freund­schaft. Die Kan­tone Uri, Schwyz, Luzern, Ob- und Nid­wal­den haben sich zu einem Trä­ger­ver­ein zusam­men­ge­schlos­sen, um mit Betei­li­gung des Bun­des und Unter­stüt­zung von Pri­va­ten die 200-jäh­rige Tou­ris­mus­ge­schichte der Region zu fei­ern. 1815 ent­stan­den die ers­ten Bau­ten des moder­nen Tou­ris­mus – das See­ho­tel Gol­de­ner Adler in Küss­nacht und das Berg­gast­haus Rigi-Kulm.

Tech­ni­sche Angaben

Tech­ni­sche Anga­ben MS Lucerne: Por­tier Mei­len 1963, L 24,10 m, B 4,75 m, Ver­drän­gung leer 25 t, GM V8 171 kW, 60 Personen

Tech­ni­sche Anga­ben zur See­rose: Shiptec Luzern 2014 Bau-Nr. 056, L 46,4 m, B 45,4 m, T bela­den 0,7 m, Ver­drän­gung bela­den 461 t, Ver­drän­gung geflu­tet 1322 t (bei Durch­fahrt Acher­egg­brü­cke), H über Basis 16,2 m, Nutz­flä­che 1400 m2, Bühne 115 m2, Zuge­las­sen für 700 Per­so­nen, Ent­wurf Domus Archi­tek­ten Luzern, Kos­ten 3 Mio Franken

Wei­ter im Text

Geschichte der Fahr­gast­schiff­fahrt SNG (Link)

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