Tag der Sar­nersee-Schiff­fahrt: ein neues Buch feiert Jubiläen auf dem Sarnersee.

Am Wochenende vom 23./24. Sep­tember holte die Obwaldner Bevöl­kerung zusammen mit Poli­tikern und Freunden der Sar­nersee-Schiff­fahrt ins Bewusstsein, dass die „See­stern“ sowohl tou­ris­tisch wie auch als Erschliessung eines Nah­erho­lungs­ge­bietes eine wichtige Rolle spielt. Der Anlass hiess „Tag der Sar­nersee-Schiff­fahrt“. Am Samstag waren die vor­be­rei­teten Höhe­punkte: eine Flot­tens­tern­fahrt, ein Festakt und die Ver­nissage des Buches „sarner see fahrt“. Am Sonntag sorgte ein Fünf­li­bertag für volle Schiffe. „Flot­tens­tern­fahrt“, „volle Schiffe“? Wie geht das mit nur einem Schiff?

An der Aus­fahrt betei­ligten sich nebst MS See­stern noch drei weitere Fahr­gast­schiffe – so viele waren seit den 60-Jahren nicht mehr auf dem Sar­nersee. Der Gast­geber MS See­stern, dann die seit 1974 In Pri­vat­besitz befind­liche „Doris“ II (Baujahr 1943 und von 1949 bis 74 als Kurs­schiff auf dem Sar­nersee), der Schrau­ben­dampfer St. Urs aus Solo­thurn, der als „Volta“ 90 Jahre lang auf dem Sar­nersee schwamm und der wohl kleinste Rad­dampfer der Schweiz, die „Liberty Belle“ aus Emmen­brücke (jährlich regel­mäs­siger Gast auf dem Sar­nersee). Nur all zu gerne hätte das OK auch noch die „See­stern“ I (1945) nach Sarnen geholt; dieses legendäre Sar­nerse-Schiff aber wurde kürzlich ver­schrottet, nachdem es mona­telang auf einem Trailer beim Bahnhof Füelen an Land lag.

Auch die „Liberty Belle“ (1987, auch ein Jubilar!) machte sich bei der Stern­fahrt gut.

Und was wurde gefeiert? Bil­dungs­di­rektor Franz Enderli über­brachte Gruss­worte des Regie­rungs­rates: „Wir feiern die Men­schen auf und um den See – Men­schen, die den See für andere zugänglich und erlebbar machen. Wir schauen auf Men­schen und ihre Geschichten. 2017 können gleich mehrere See­ge­schichten erzählt werden. Während 30 Jahren hat Franz Weiss, der Mann mit dem unver­kenn­baren Basler Dialekt, die Schiff­fahrt auf dem Sar­nersee geführt. Die fahr­plan­mässige Schiff­fahrt wird bereits seit über 120 Jahren betrieben. Nach 25 Jahren kommt die ‚St. Urs’, unsere ehe­malige ‚Volta’, zum ersten Mal wieder auf den Sar­nersee zu einem Besuch und in diesem Jahr kann das MB Doris nach einer umfas­senden Reno­vation erneut in den See stechen.“

Diese Geschichten sind nun auf­ge­b­ar­beitet und im Buch „sarner see fahrt“ ver­öf­fent­licht worden*. Basis dazu bildete die 1991 erschienene Bro­schüre „Sar­nersee – Juwel Obwaldens“, die nun erweitert, ergänzt und mit völlig neuem Bild­ma­terial, mit 64 Fotos aus­ge­stattet, aktua­li­siert wurde. Nach den blei­benden Erin­ne­rungen befragt, erläu­terte an der Buch­ver­nissage der Mit­autor Mario Gavazzi: „Es waren vorab Begeg­nungen mit Inno­va­tionen und Begeg­nungen mit Men­schen. Inno­vation war nur schon das Wagnis, 1896 auf dem Sar­nersee eine öffent­liche Schiff­fahrt zu betreiben. Gewinn­aus­sichten konnte wohl niemand erwarten, vielmehr war es ein Mix von Grund­er­schliessung für tou­ris­tische Zwecke im Zusam­menhang mit dem erfolg­reichen Hotel Waldheim in Wilen und für die Wirt­schaft der Möbel­in­dustrie von Wilen zur Bahn­station Sachseln.“ Wer kann sich heute noch vor­stellen, dass eine holz­ver­ar­bei­tende Firma ihre Pro­dukte, nicht selten ganze Holz­bauten, auf einem Nauen über den See zur nächst­ge­le­genen Bahn­station befördert hat? Auf dem Sar­nersee hat es das gegeben, mit dem Transport von Möbeln der Firma Läubli von Wilen zum Bahnhof Sachseln.

Weiter zum Stichwort „Inno­vation“ führte Mario Gavazzi aus: „Tech­nisch gesehen war die Indienst­nahme des Schiffes Volta mit Elek­tro­motor anstelle des frü­heren Dampf­an­triebes inno­vativ. Man muss sich das vor­stellen, 1903, ein mit Akku­mu­la­toren betrie­benes Schiff, abgasfrei und ohne Moto­renlärm. Es gab in der Folge auch Last- und andere Fahr­gast­schiffe, die mit Elek­tro­an­trieb aus­ge­rüstet waren. Ich muss immer etwas schmunzeln, wenn sich heute Inge­nieure für ihre Ent­wick­lungs­fort­schritte im Hybrid- und Elek­tro­mo­to­ren­be­reich rühmen. Das dürfen sie natürlich tun, denn diese Antriebsform ist unsere Zukunft, wenn der­einst die fos­silen Brenn­stoffe zu Ende gehen. Mit Blick auf den Sar­nersee dürfen wir aber mit Respekt fest­halten: alles schon mal dagewesen.“

Das zweite Thema, das Gavazzi an der Buch­ver­nissage aus­führte war die Begegnung mit Men­schen. Gehen wir diesen Men­schen mal nach. Edwin Rebmann kann als Pionier der Sar­ner­see­schiff­fahrt betrachtet werden: er bekam 1896 als erster vom eid­ge­nös­si­schen Post- und Eisen­bahn­de­par­tement in Bern die Bewil­ligung, mit seinem Naph­taboot Mignon Per­so­nen­trans­porte durch­zu­führen. Dann kamen 1903 die bereits erwähnten Gebr. Läubli von der Möbel­fabrik, die mit der ehe­ma­ligen „St. Urs“ aus Solo­thurn nun als „Volta“ in den Per­so­nen­transport ein­stiegen. 1909 folgte ein wei­terer: Theodul von Ah baute gar eine eigent­liche Flotte von vier Schiffen auf und bediente vor allem von Sachseln aus das Hotel Waldheim; seine Schiffs­hütte exis­tiert noch heute und ist vom Zug aus beim Bahnhof Sachseln gut zu sehen. Seine jüngste Tochter (Jahrgang 1930, einzige noch lebende direkte Nach­fahrin) war am Fest auch ein­ge­laden, zog aber die Hochzeit einer Enkelin ver­ständ­li­cher­weise vor. Gret Dillier-von Ah stand ebenso wie ihre sechs Geschwister als Jugend­liche öfters am Steuer. „Es war nicht immer nur lustig“, erinnert sie sich und zeigte sich im Gespräch nicht über­rascht, dass es keine „2. Gene­ration Schiffs­be­trieb von Ah“ gab…

Dies schaffte dann der nächste Betreiber: Niklaus Heimann (zeit­ge­nös­sische Schreib­weise, später Heymann) begann 1934 mit einem neuen Betrieb, dieses Mal ab Sarnen. Bereits vier Jahre später ergänzte ihn sein Sohn Felix. Er ersuchte dann im Jahr 1956 in Bern eine eid­ge­nös­sische Kon­zession, die er dann nach Kon­sul­tation des Obwaldner Regie­rungs­rates 1959 auch bekam… Zu einer dritten Gene­ration kam es dann nicht mehr; keines der fünf Kinder von Felix konnte den wenig lukra­tiven Betrieb über­nehmen. Da sprang im Herbst 1985 Franz Weiss ein; zuvor hatte er mit seiner Frau Heidi den Kiosk See­feld­imbiss über­nommen. Diese Kom­bi­nation von Restaurant und Schiff ergab dann bis heute eine Existenzgrundlage.

MS See­stern und das ehe­malige Sar­nersee-Kurs­schiff Doris (II) an der Schiffsparade.

Für den Gala­abend stürzten sie sich in his­to­rische Gala­uniform des 19. Jahrhunderts.

Erwin Heymann (Sohn des Felix und Enkel des Niklaus) mode­rierte den Abend­anlass, rechts im Bild der jubi­lierene Eigner der heu­tugen Sar­nersee-Schiff­fahrt Franz Weiss mit dem neuen Buch in der Hsnd «sarner see fahrt».

Blick vom Sar­ner­see­schiff Volta, das ehe­malige und heute wieder rekon­stru­ierte Dampfboot St. Urs aus Solo­thurn mit den heu­tigen Eigner Thomas und Antoi­nette Schmid sowie Martin und Esther Schmid.

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Hin­weise

*) Das Buch ist im Verlag der Schiffs-Agentur erschienen und kann hier bestellt werden. 68 Seiten, illus­triert, CHF 24.00.

°) Nauen, zeit­weise auch für Per­so­nen­transport eingesetzt.

Quellen

Text und Bilder H. Amstad

Chronik Schiff­fahrt Sarnersee

  • 1887 Edwin Rebmann: Mignon
  • 1903 Gebr. Läubli: Volta, Watt°, Brünig°
  • 1909 Theodul von Ah: MB Rex, Gertrud, Delphin, Kismet
  • 1934 Niklaus Heimann: Doris I
  • 1938 Niklaus und Felix Heymann: Doris I, Felix, Doris II
  • 1956 Felix Heymann: Felix, See­stern I
  • 1970 Fredy Fanger: Tschi­feler°, Schiller°, Steinrose°
  • 1976 Franz Weiss: See­stern I, See­stern II

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