Vor 75 Jahren: ein Schiffsunglück auf dem Vierwaldstättersee wird zu einer sozialen Katastrophe
Das zweitgrösste Schiffsunglück1 in der Geschichte der Schweizer Dampf- und Motorschifffahrt hat sich kürzlich zum 75. Mal gejährt. In diesem Zusammenhang erschien ein Buch2 und das Schweizer Fernsehen produzierte darüber das Doku-Drama «Es geschah am… Bis dass der Tod euch scheidet».3 Warum greift nun die Schiffs-Agentur das Thema auch noch auf? Nach der Ausstrahlung des Fernseh-Dok sind unter den Schiffsleuten einige Fragen aufgetreten, denen ich nachgehen möchte. Denn im Film erscheinen ein paar Interpretationen etwas unpräzise. In einem Gespräch mit Rolf Gwerder4, der sich seit Jahrzehnten intensiv mit Last- und Ledischiffen befasst, möchte ich das nun inzwischen gut dokumentierte Unglück noch stärker in den Fokus der Schifffahrt stellen.
Um was geht es? Am 12. Oktober 1944 endet auf dem Vierwaldstättersee eine fröhliche Hochzeitsfeier in einer tragischen Katastrophe. Auf dem Rückweg vom Fest im Hotel St. Niklausen zum Bahnhofquai in Luzern stösst das Motorboot Schwalbe beim Haslihorn mit dem Nauen Schwalmis zusammen. Die „Schwalbe“ mit 33 Personen der Hochzeitsgesellschaft sinkt sofort. 20 Menschen ertrinken, die meisten davon stammen aus der Entlebucher Gemeinde Escholzmatt. Der Bräutigam Gottfried Studer, der beliebte Lehrer, Musikdirigent und Meisterschütze, überlebt, verliert aber seine Braut Pia Portmann und die halbe Verwandtschaft. 14 Vollwaisen bleiben zurück. Auch der Unfall-Kapitän Rudolf Müller-Kleinmayer stirbt, wobei seine Nichte Josefine Kleinmayer als «Beimann» (Matrosin) das Unglück überlebt. Das Drama ist eine Verkettung von unglücklichen Umständen: Der Führer des Motorboots ist alkoholisiert, sein Boot überladen und im entscheidenden Moment reagiert er falsch und steuert sein Boot direkt auf den entgegenkommenden Nauen zu. Der Grund für diesen fatalen Fehler konnte nie restlos geklärt werden.
Das Buch «Die Braut fiel mir aber ins Wasser»
Die Aufarbeitung des tragischen Unglücks ist das Verdienst von Sämi Studer. Der Entlebucher Journalist und Redaktor beim Regionaljournal Zentralschweiz von Radio SRF ist der Enkel des überlebenden Bräutigams. Das Ereignis begleitete ihn seit seiner Kindheit: «Das Unglück wurde in meiner Familie zum Tabu-Thema, weil man nicht daran erinnert werden wollte», sagt Sämi Studer. Inzwischen sind alle Überlebenden von damals gestorben. «Deshalb soll die Tragödie aber nicht in Vergessenheit geraten.»
Nur wenige Monate nach der Katastrophe lernte der von Trauer gezeichnete Witwer Gottfried Studer am Grab seiner ersten Frau Pia seine zweite Frau Agatha kennen. Zwei Jahre später heirateten sie. Aus dieser Ehe ging dann der Vater (Gody) von Sämi Studer hervor. «Meine Grossmutter war die Einzige, mit der der Grossvater über das Unglück sprach. Was wäre mit mir, wenn das Unglück nicht passiert wäre?» Das habe ihn auch schon als Kind beschäftigt. «Deshalb glaube ich schon, dass dieses Unglück mich und die ganze Familie geprägt hat und immer präsent war.»
Deshalb hat sich Studer zum Ziel gesetzt, seine damalige Diplomarbeit am Lehrerseminar Hitzkirch aufzugreifen und auf Hinblick einer Art «75-Jahr-Gedenkfeier» dieses Mal fundiert zu recherchieren. Er konnte mit Betroffenen sprechen und verbrachte viel Zeit im Luzerner Staatsarchiv, wo das Unglück gut dokumentiert ist. «Ich wollte die Sache möglichst genau aufarbeiten und so für die Nachwelt erhalten.» Ausführlich zitiert er auch aus den Polizeiakten zum Unglück. Überrascht habe ihn, wie genau die damaligen Behörden den Fall aufgearbeitet hätten. Zum Beispiel wurde der Zusammenstoss zwischen dem Nauen und dem Motorboot mehrmals mit dem DGV-Schiff Aero5 und dem Unglücksnauen nachgestellt, am Tag und in der Nacht.
Ein Care-Team oder eine psychologische Betreuung der zahlreihen Waisenkinder, der Hinterbliebenen, der ganzen Bevölkerung von Escholzmatt, die in Schockstarre lag, gab es damals nicht. Sämi Studer recherchierte: «Die Überlebenden wurden – noch mit durchnässten Kleidern – nach dem Unglück umgehend auf den Polizeiposten gebracht, befragt und danach nach Hause geschickt oder begleitet.» Es gab Fälle, wo Überlebende zu Hause die Scheibe einschlagen mussten, weil alles mitsamt dem Hausschlüssel im Vierwaldstättersee verschwunden war. Auf anderen Höfen standen Kühe im Stall, doch wer melkte sie am andern Morgen? Und später: wo kommen die Weisenkinder unter? Buch und Film geben subtil Antworten; die Mitteilung beispielswese, dass alle Kinder in Escholzmatt bleiben dürfen, bekommt im Film eine unerhörte Hoffnung und Emotionalität.
Zwei Ergänzungen zum Film
Das Dok-Drama musste die Fakten und Emotionen in Bildern und Szenen umsetzen – im Gegensatz zum Buch, das sich akribisch an Dokumente hält und feinfühlig vom Autor interpretiert wird. Die Stilmittel dieses Filmes sind Interviews mit Zeitzeugen und Betroffenen, nachgestellte Spielfilmsequenzen und Original-Filme. Bei den fiktionalen Szenen gibt es aus der «Schiffer-Optik» zwei Ergänzungen anzubringen. Den Film deshalb zu kritisieren wäre aber falsch, meint auch der Kenner Rolf Gwerder: «Ziel dieser Dok-Sendung war wohl nicht die Darstellung der nautischen, präzisen Zusammenhänge, sondern die Verarbeitung des Unglücks und das Aufzeigen des eindrücklichen Zusammenhaltes der Einwohner von Escholzmatt. Dies ist meiner Meinung nach dem Produzenten Rolf Elsener gut gelungen.»
Die erste Irritation betrifft die Rollenbesetzung des Nauenführers6, Eduard Murer, in Beckenried «Bodä Edy» genannt. Ihn wie im Film als unsicheren „Pirat“ darzustellen, ist für Rolf Gwerder und mich, die den Bodä Edy gekannt haben, befremdend. Als stolz, selbstbewusst und eigenwillig kam er mir entgegen. Und Rolf Gwerder ergänzt: «Edy war äusserst klar im Denken und sehr direkt in seinen Worten. Dem Landjäger, der ihn im Film auf dem Nauen im Bodä befragt hat, wäre Edy keinesfalls so verwirrt und zögerlich entgegengetreten. Zudem hätte er die Festmacherleine zügig aufgeschossen und hätte diese nicht hilflos x‑mal mit seinen Händen herumgedreht…!7»
Der Bodä Edy hat eigentlich nie über das Haslihorn-Unglück gesprochen – unaufgefordert schon gar nicht. Rolf Gwerder kannte ihn gut und konnte in günstigen Momenten darüber mit ihm sprechen: «Edy’s Erzählungen zum Haslihorn-Unglück decken sich zu 100 % mit den Recherchen in Sämi Studers Buch und denjenigen der Dok-Sendung. Die eine oder andere Begebenheit in diesem Zusammenhang ist mir etwas ausführlicher in Erinnerung, doch verstehe ich, wenn man sich sowohl im Buch als auch in der Dok-Sendung an die schriftlichen Dokumente wie etwa Einvernahme- und Gerichtsprotokolle gehalten hat. Dass beim erfahrenen Schiffsführer der ‘Schwalbe’ Alkohol im Spiel und das Ausflugsschiff überladen gewesen sei hingegen erinnere ich mich nicht, aus den Erzählungen des Bodä Edy gehört zu haben.» Bei der Obduktion wurden bei Kapitän Müller-Kleinmayer 0,9 Promille im Blut nachgewiesen und das Schiff war für 30 Personen zugelassen.
Rolf Gwerder: «Wenn ich Edy darauf angesprochen habe, war deutlich zu spüren, dass dieses tragische Unglück auch nach über 50 Jahren bis zu seinem Tod immer noch an ihm genagt hat – und wie sein Neffe Meinrad Grüniger in der Dok-Sendung treffend geschildert hat, dass seine zeitweise schlechte Laune nicht zuletzt auch von diesem Unglück geprägt war. Die Einvernahmen der Polizei, die Untersuchungen des Statthalteramtes, die erstinstanzliche Geldbusse und das beinahe 11 Monate lange Warten auf das Urteil des Amtsgerichts haben Edy sehr belastet.» Sämi Studer kennt den Grund des langen Wartens: «Trotz der an sich klaren Ausgangslage wurde eine Verurteilung des Lastschiff-Kapitäns Eduard Murer als Mitschuldigen angestrebt. Der Grund: Die ‘Neuenburger’-Versicherung des Unfallkapitäns wollte einen Teil der Kosten so auf jene von Murer umwälzen.» Das Amtsgericht Luzern Land revidierte das erstinstanzliche Urteil des Statthalteramtes Luzern Land vom 10. April 1945 und sprach den Bodä Edy von Schuld, Strafe und Kosten am 4. September 1945 frei.
Schneller als gezeigt
Die zweite Irritation des Filmes ist die «Untergangsszene», die sich ansatzweise an den Film Titanic anlehnt. Rolf Gwerder: «Meiner Meinung nach ist der Untergang des Motorbootes wesentlich rascher erfolgt, als er in der Dok-Sendung dargestellt wird: Der Bug des etwa 7 Tonnen schweren Fahrgastschiffs (etwas grösser als das im Film verwendete MB Nicolas der SNG) wurde vom Joch des etwa 39 Tonnen schweren Nauens Schwalmis augenblicklich unter Wasser gedrückt und das Motorboot durch die Restgeschwindigkeit zur Seite gedreht.» Das ging blitzartig, sodass – im Gegensatz zum Film – das Schiff nach einer halben Minute bereits sank. Dies bestätigt auch der nautische Untersuchungsbericht, verfasst von Hermann Dittus, Werftchef der Zürcher Dampfboot AG (heute ZSG) und O. Hager, Werftchef der D.G. vom Thuner- und Brienzersee (heute BLS): «Es ist richtig, dass zwischen der Bauart des Bootes und dem raschen Versinken ein kausaler Zusammenhang besteht.» Beim Zusammenstoss drückte das hohe Joch des Nauens das tiefer gelegene Passagierboot richtiggehend ins Wasser; der offene Bugraum füllte sich rasch mit Wasser. Die Fahrgäste sassen ja in der Schale der «Schwalbe».
Rolf Gwerder gibt auch zu bedenken: «Die glatten, ‘ausladenden’ Seitenwände des Nauens waren denkbar ungeeignet, dass sich jemand hätte daran festhalten, geschweige denn sich hochziehen können. Die niedrige Wassertemperatur an einem 12. Oktober und die Tatsache, dass das Gros der Entlebucher Hochzeitsgäste des Schwimmens unkundig war, werden ein Übriges dazu beigetragen haben, dass nur gerade 13 Passagiere gerettet werden konnten.»
Die Rolle der Polizei und der Rettungskräfte wäre durchaus auch noch ein spanendes Thema für den Film gewesen. Anwohner telefonierten der Stadtpolizei Luzern praktisch gleichzeitig mit dem Geschehen, nachdem sie die Hilfeschreie vom See her hörten. Dass es dann genau eine Stunde dauerte, bis die ersten Rettungskräfte (notabene noch am falschen Ort) eintrafen, war dann im Zuge des dramatischen Ereignisses kein öffentliches Thema. Protokolliert ist, dass zuerst abgeklärt werden musste, ob nun der Vorfall auf dem Gebiet der Stadt Luzern passiert sei oder nicht. Je nach dem hätte dann die Kantonspolizei ausrücken sollen. Da beide Korps keine eigenen Boote hatten, telefonierte die Stadtpolizei dem Schiffsbetrieb Meier-Kleinmayr und bat um die Zurverfügungstellung seiner «Schwalbe». Die Frau gab dann zur Auskunft, er sei noch nicht zu Hause und mit einer Hochzeitsgesellschaft auf dem See unterwegs… Die Polizei musste dann mit angeheuerten Ruderbooten ausrücken.8
Da war die Welt noch in Ordnung: Die Braut Pia Studer-Portmann steigt aus der «Schwalbe» für das Hochzeitfest im Hotel St. Niklausen.
Die Polizei vermisst das Unglücksschiff und erstellt für die Untersuchungsbehörden einen Plan. Die Bauwerft des Schiffes ist noch Gegenstand weiterer Recherchen.
Die «Schwalbe» wird am 13. Oktober 1944 morgens um zwei Uhr unter Wasser in den Hafen Haslihorn gezogen und das Kabinendach entfernt, um die neun in der Kabine eingesperrten Ertrunkenen zu bergen.
Am selben Morgen noch wird die «Schwalbe» gehoben und der Untersuchungsbehörde übergeben.
Augenschein auf der wieder schwimmenden «Schwalbe»
An zwei Tagen wird der Unfallhergang nachgestellt. Dazu dient die fast gleich lange «Aero» von der DGV, rechts der Nauen Schwalmis.
Schiffsführer Bodä Edy (Eduard Murer) vom Nauen Schwalmis
Bilder Textteil: Filmplakat des Dok-Filmes «Es geschah am…»
Der Nauen Schwalmis mit Gästen vom Hotel Edelwyss im Bodä in Beckenried
Die «Nicolas»9 dient als Drehort für die fiktiven Szenen des Dok-Filmes.
Text H. Amstad, Bilder 1, 2, 3 und 6 aus dem Buch «Die Braut fiel mir aber ins Wasser»2, Bilder 4, 5, 7 und Textteil 2 Archiv R. Gwerder, Bild Textteil 3 SNG
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Hinweise
1) Schiffshistoriker Jürg Meister: «Trauriger Rekordhalter ist bezogen auf die Dampf- und Motorschfffahrt die ‘Mont-Blanc’ auf dem Genfersee. Im Juli 1892 explodierte der Dampfdom und 26 Menschen sind mit tödlichen Verletzungen verbrüht. Der Zusammenstoss des Motorschiffes Schwalbe mit dem Nauen Schwalmis hält den Rekord mit der grössten Anzahl der Ertrunkenen. Der Untergang der ‘Neptun’ auf dem Bielersee forderte 1880 deren 15 Todesopfer. Die ‘Schwalbe’ erinnert (rein optisch) fatal an den Fall ‘Neptun’ vom Bielersee: trotz Aufbauten hatten beide Schiffe halt letztlich bloss offene Schalen.»
Das grösste Schiffsunglück in der Schweizer Schifffahrtsgeschichte ereignete sich 1687, also vor dem Dampf- und Motorenzeitalter. Rund 60 000 Hugenotten, wie die französischen Protestanten hiessen, mussten flüchten, weil Frankreich 1658 die Religionsfreiheit einschränkte. Die Flucht führte durch die Schweiz als Transitland. Reisen auf Strassen und Wegen war damals sehr beschwerlich, weshalb der Wasserweg wenn immer möglich bevorzugt wurde. Den Hageneckkanal gab es damals noch nicht, so benützte ein Teil des Flüchtlingsstromes den Lauf der Alten Aare, die sich stark mäandrierend von Aarberg Richtung Büren und Solothurn schlängelte. Eines von zwei überfüllten und zusammengebundenen Weidlingen fuhr auf diesem Weg auf einen Holzstrunk auf. Dieser zerbrach und brachte auch den anderen zum Kentern. Mit 111 ertrunkenen Menschen ist dies das bis heute grösste Schiffsunglück in der Schweiz.
2) «Die Braut fiel mir aber ins Wasser» Vom Hochzeitsfest in die Katastrophe, Schiffsunglück 12. Oktober 1944 auf dem Vierwaldstättersee, Sämi Studer 156 S. illustriert, bei uns erhältlich (Link)
3) Hauptrollen: Dominique Müller als Gottfried Studer, Judith Koch (super Besetzung) als Pia Portmann, Regie Wendy Pillonel, Drehbuch und Produzent Rolf Elsener; Link zum Film
4) Rolf Gwerder ist Verfasser verschiedenster Lastschiff- und Nauenbücher, u.a. hat er sich mit der Dokumentation «Nauen auf dem Vierwaldstättersee – die Geschichte des Gütertransports mit Motornauen» (vergriffen) einen Namen gemacht. Der Berufsunteroffizier der Schweizer Armee interessiert sich seit seiner Jugend für die Nauen auf dem Vierwaldstättersee und hatte bedingt durch seinen Wohnort das Glück, den Bodä Rädi während etwa 20 Jahren und seinen Bruder, den im Artikel erwähnten Bodä Edy, kennen zu lernen. Gwerder: «Von den beiden ‘Bedäler’ konnte ich sehr viel für meine berufliche und meine private Zukunft als ‘Freizeitseegusler’ auf dem Vierwaldstättersee mitnehmen.»
5) Das MS Aero wurde 1910 durch die Hitzler Werft für die Genossenschaft AERO in Luzern gebaut. Es wurde zum Personenverkehr vom Bahnhof Luzern zur Luftschiffstation Tribschen eingesetzt. Nach dem ersten Weltkrieg kam die „Aero“ in den Besitz der DGV und war dort das erste nicht dampfbetriebene Fahrgastschiff. 1959 ausgemustert kam es zu diversen Eigentümern und wird seit 2016 durch A. Fischer und N. Schwarz betrieben. Der Heimathafen ist Sisikon.
6) Die «Schwalmis»-Besatzung bestand aus dem Schiffsführer Bodä Edy (Eduard Murer) und dem Seehof Sepp (Josef Amstad, Cousin meiner Mutter, dem Verfasser dieses Blogbeitrages) als Beimann. Gwerder: «Die Bezeichnung ‘Matrose’ verwendet man auf Lastschiffen nicht.».
7) Bezüglich Edy’s Sehvermögen hat Rolf Gwerder Informationen aus erster Hand: «Ihm wurde 1935 das linke Auge durch einen unglücklichen Vorfall im Schwanengässli in Beckenried durch einen Messerstich unwiederbringlich verletzt. Es ging um einen vermeintlichen Velodiebstahl. Edy war sich seiner Beeinträchtigung sehr wohl bewusst und hielt ausgesprochen Sorge zu seinem gesunden Auge. Zur Aufrechterhaltung seiner Führerausweise für Motorrad, Auto und Güterschiffe musste er in festgelegten Abständen zur Seh-Kontrolle und hat diese ausnahmslos bestanden. Der Bodä Edy war ein erfolgreicher Kranzschütze. Während vielen Jahren wäre ein Rütlischiessen ohne ihn ein Drama gewesen. Als er einmal an einem Schützenfest einen Nuller geschossen hat, musste man ihm allerdings erst die Scheibe bringen, bevor er es auch wirklich geglaubt hat…»
8) Laut dem Luzerner Tagblatt vom 13. Oktober 1944 sollen dann die beiden DGV-Schiffe Reuss und Mythen in der Nacht für die Suche und Bergung der Ertrunkenen aufgeboten worden sein. «Die ‘Mythen’ mit ihren starken Scheinwerfern musste dabei von Gersau herbeigeholt werden. … Den Bergungsorganen bot sich vor Ort und Stelle ein grauenvoller Anblick.» In der Kabine sassen die Reihen der ertrunkener nebeneinander auf den Bänken. «Diese Leichen konnten erst geborgen werden, als gegen 2 Uhr morgens das Boot … ans Ufer geschleppt und das Dach entfernt werden konnte.»
9) Die drei beteiligten Protagonisten im Vergleich: «Schwalbe», Inhaber R. Müller-Kleinmayer, Baujahr noch offen, 13 m L, 2.55 m B, 30 Personen / «Aero», Inhaber 1944 DGV (heute A. Fischer/N. Schwarz), Baujahr 1910, 13.20 m L, 3.05 m B, 60 Personen / «Nicolas», Inhaber heute SNG, Baujahr 1901, 11.7 m L, 2.18 m B, 20 Personen (heute)
Allgemeiner Hinweis
Der Ende Jahr jeweils erschienene Medienbericht über die Änderungen und Neuerungen der Schiffs-Angebote für die kommende Saison entfällt dieses Mal. Die Planungsunsicherheit wegen den behördlichen Massnahmen im Zusammenhang von Covid-19 ist dermassen gross, dass zur Zeit leider keine seriösen Aussagen über die Angebote im 2021 gemacht werden können.
Weiter im Text
Interessanter Radio-Beitrag (Link)
TV-Beitrag mit dem ganzen Dok-Film «Bis dass der Tod euch scheidet» (Link)
Auszüge aus diversen Zeitungsartikeln zum Haslihorn-Unglück findet man auch in Heinz Schürmanns Diplomarbeit «Schiffsunglücke auf dem Vierwaldstättersee» 1984: S. 64 – 66 und 136/137 (Link)
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Danke für die wertvollen Hintergrund- und Zusatzinformationen. Ja der Nauenführer hat auch mich irritiert, vor allem der linkische Umgang mit der Leine, verstärkt durch die Augenklappe. Dem nicht schiffsaffinen Zuschauer konnte er trotzdem seine innere Betroffenheit rüberbringen (mindestens als das habe ich es für mich interpretiert). Am tiefsten berührt hat mich die aus der Zeit gefallene Aussage der zwei Schwestern: «Für uns ging es nie um die Schuldfrage, da niemand das Unglück wollte.»
Vorab ein Kompliment an den Autor des Buches «Die Braut aber viel mir ins Wasser» Sämi Studer. Anlässlich der Vernissage des Buches im prall gefüllten Pfarrheim Escholzmatt (mit über 400 Personen) vor 13 Monaten dankte ich ihm persönlich für sein Werk und überbrachte ihm ein paar Tage später eine Flasche Wein ins Regionalstudio Innerschweiz am Inseliquai in Luzern.
Die Medien berichteten ab und zu in der Lokalpresse, wenn ein «runder» Jahrestag nahte. Zu einer früheren Zeit intervenierte Eduard Murer eigens bei der LNN und verlangte eine Korrigenda, dass er damals in allen Teilen vom Gericht «frei gesprochen» wurde. Im Jahr 2009 strahlte das DRS Aktuell in der Vorabend-Sendung eine fatale Berichterstattung über das Hochzeitsungklück aus. Ich nahm mir die Mühe und konnte mit dem Vorgänger-Lokalfernesehen, dem heutigen Tele 1, einige Berichtigungen einbringen. Es wurde in der Pfarrkirche Kastanienbaum gefilmt, wo vorne rechts eine Gedenktafel über alle Verstorbenen angebracht ist. Bis vor Jahren fand alljährlich ein Gedenk-Gottesdienst zur tragischen Erinnerung statt.
Für den Film wurde ich im März 2020 vom Produktionsleiter Oliver Bolt angefragt, um meinen Nauen zur Verfügung zu stellen. Sie suchten auf dem ganzen See Nauen mit vorne abgerundeter Kabine (Steuerhaus), denn mehrere Nauen erhielten «modernere» 4‑Eck-Kabinen. Die Besitzer Erwin Müller und Lukas Käppeli von den Nauen «Republik» und «Stauffacher» wollten sich nicht binden wegen ihren Personenfahrten in der Sommerzeit. Die Produktionsleitung des SRF wollte nebst der Drehnacht (Zusammenstoss Boot mit Nauen) noch witterungsbedinte Ausweich- und Verschiebedaten einhandeln. Da ich nicht mehr stark an Personenfahrten interessiert bin, war es Oliver Bolt genehm, die Termine mit meinem Nauen festzulegen. Als mir Oliver Bolt den Ihnalt des Filmes erklären wollte, wiess ich darauf hin, dass der damalige Nauenführer mein Onkel gewesen sei. So kamen demnach weitere Daten dazu: stündiges Telefon mit einer Journalistin, Interview zu Hause, Szenen vor Abfahrt des Nauen in Luzern sowie die Szene des Gesprächs von Eduar Murer mit dem Polizisten im Hafen in Beckenried, Rekognoszierungsfahrt tagsüber nach Haslihorn und als Hauptteil der Zusammenprall in der Seebadi in Horw aufgenommen.
Mein Verhätlnis zum Onkel Eduard Murer bestand darin, dass ich seit 1951 bis 1961 während den Schulferien im Frühling, Sommer, später im Herbst und teilweise im Winter ständig als Steuermann (von ihm ernannt) und späterer Beimann für Ferienablösungen auf dem «Schwalmis» im Einsatz war. Zudem wohnten wir seit 1948 bis 1967 im Elternhaus, fast im gleichen Haushalt. Eduard Murer und seine älteste Schwester hausten im Erdgeschoss. Wir mit unserer Familie im 1. Obergeschoss. Geschlafen wurde wie Eduard Murer auch im 4. Obergeschoss, damals noch in ungeheizten Einzelzimmern.
Dadurch war ich prädestiniert im «Seeguslen» Arbeiten auf Nauen, sei es als Schiffsführer oder Beimann. Von Edurd Murer lernte man viel durch Beobachtung, er delegierte im Vertrauen, in dem er sich bei einer längeren Fahrt wagte, sich hinzulegen für ein Nickcherchen zu machen. 300 Meter ausserhalb der Anlegestelle reduzierte ich die Drehzahl des Nauen-Antriebmotors. Innerhalb ein, zwei Minuten stand Eduard Murer zur Seite und übernahm anfänglich das Steuer. Später überliess er mir auch das Anlegemanöver, sei es im Seeverlad Horw oder Luzern.
In diesem Zusammenhang ist durch den Film «Ein Tag darnach, bis der Tod euch scheidet» für unsere Familie eine grosse Erleichterung eingetreten. In all den Berichten der verganenen Jahre zuvor wurde zweifelsohne der Nauen «Schwalmis» von Journalisten angeprangert. Ein Dankeschön an Sämi Studer und Oliver Bolt vom SRF.