Vor 75 Jah­ren: ein Schiffs­un­glück auf dem Vier­wald­stätter­see wird zu einer sozia­len Katastrophe

Das zweit­grösste Schiffs­un­glück1 in der Geschichte der Schwei­zer Dampf- und Motor­schiff­fahrt hat sich kürz­lich zum 75. Mal gejährt. In die­sem Zusam­men­hang erschien ein Buch2 und das Schwei­zer Fern­se­hen pro­du­zierte dar­über das Doku-Drama «Es geschah am… Bis dass der Tod euch schei­det».3 Warum greift nun die Schiffs-Agen­tur das Thema auch noch auf? Nach der Aus­strah­lung des Fern­seh-Dok sind unter den Schiffs­leu­ten einige Fra­gen auf­ge­tre­ten, denen ich nach­ge­hen möchte. Denn im Film erschei­nen ein paar Inter­pre­ta­tio­nen etwas unprä­zise. In einem Gespräch mit Rolf Gwer­der4, der sich seit Jahr­zehn­ten inten­siv mit Last- und Ledi­schif­fen befasst, möchte ich das nun inzwi­schen gut doku­men­tierte Unglück noch stär­ker in den Fokus der Schiff­fahrt stellen.

Um was geht es? Am 12. Okto­ber 1944 endet auf dem Vier­wald­stätter­see eine fröh­li­che Hoch­zeits­feier in einer tra­gi­schen Kata­stro­phe. Auf dem Rück­weg vom Fest im Hotel St. Niklau­sen zum Bahn­hof­quai in Luzern stösst das Motor­boot Schwalbe beim Has­li­horn mit dem Nauen Schwalmis zusam­men. Die „Schwalbe“ mit 33 Per­so­nen der Hoch­zeits­ge­sell­schaft sinkt sofort. 20 Men­schen ertrin­ken, die meis­ten davon stam­men aus der Ent­le­bu­cher Gemeinde Escholz­matt. Der Bräu­ti­gam Gott­fried Stu­der, der beliebte Leh­rer, Musik­di­ri­gent und Meis­ter­schütze, über­lebt, ver­liert aber seine Braut Pia Port­mann und die halbe Ver­wandt­schaft. 14 Voll­wai­sen blei­ben zurück. Auch der Unfall-Kapi­tän Rudolf Müller­-Kleinmayer stirbt, wobei seine Nichte Jose­fine Klein­mayer als «Bei­mann» (Mat­ro­sin) das Unglück über­lebt. Das Drama ist eine Ver­ket­tung von unglück­li­chen Umstän­den: Der Füh­rer des Motor­boots ist alko­ho­li­siert, sein Boot über­la­den und im ent­schei­den­den Moment reagiert er falsch und steu­ert sein Boot direkt auf den ent­ge­gen­kom­men­den Nauen zu. Der Grund für die­sen fata­len Feh­ler konnte nie rest­los geklärt werden.

Das Buch «Die Braut fiel mir aber ins Wasser»

Die Auf­ar­bei­tung des tra­gi­schen Unglücks ist das Ver­dienst von Sämi Stu­der. Der Ent­le­bu­cher Jour­na­list und Redak­tor beim Regio­nal­jour­nal Zen­tral­schweiz von Radio SRF ist der Enkel des über­le­ben­den Bräu­ti­gams. Das Ereig­nis beglei­tete ihn seit sei­ner Kind­heit: «Das Unglück wurde in mei­ner Fami­lie zum Tabu-Thema, weil man nicht daran erin­nert wer­den wollte», sagt Sämi Stu­der. Inzwi­schen sind alle Über­le­ben­den von damals gestor­ben. «Des­halb soll die Tra­gö­die aber nicht in Ver­ges­sen­heit geraten.»

Nur wenige Monate nach der Kata­stro­phe lernte der von Trauer gezeich­nete Wit­wer Gott­fried Stu­der am Grab sei­ner ers­ten Frau Pia seine zweite Frau Aga­tha ken­nen. Zwei Jahre spä­ter hei­ra­te­ten sie. Aus die­ser Ehe ging dann der Vater (Gody) von Sämi Stu­der her­vor. «Meine Gross­mutter war die Ein­zige, mit der der Gross­va­ter über das Unglück sprach. Was wäre mit mir, wenn das Unglück nicht pas­siert wäre?» Das habe ihn auch schon als Kind beschäf­tigt. «Des­halb glaube ich schon, dass die­ses Unglück mich und die ganze Fami­lie geprägt hat und immer prä­sent war.»

Des­halb hat sich Stu­der zum Ziel gesetzt, seine dama­lige Diplom­ar­beit am Leh­rer­se­mi­nar Hitz­kirch auf­zu­grei­fen und auf Hin­blick einer Art «75-Jahr-Gedenk­feier» die­ses Mal fun­diert zu recher­chie­ren. Er konnte mit Betrof­fe­nen spre­chen und ver­brachte viel Zeit im Luzer­ner Staats­ar­chiv, wo das Unglück gut doku­men­tiert ist. «Ich wollte die Sache mög­lichst genau auf­ar­bei­ten und so für die Nach­welt erhal­ten.» Aus­führ­lich zitiert er auch aus den Poli­zei­ak­ten zum Unglück. Über­rascht habe ihn, wie genau die dama­li­gen Behör­den den Fall auf­ge­ar­bei­tet hät­ten. Zum Bei­spiel wurde der Zusam­men­stoss zwi­schen dem Nauen und dem Motor­boot mehr­mals mit dem DGV-Schiff Aero5 und dem Unglücks­nauen nach­ge­stellt, am Tag und in der Nacht.

Ein Care-Team oder eine psy­cho­lo­gi­sche Betreu­ung der zahl­rei­hen Wai­sen­kin­der, der Hin­ter­blie­be­nen, der gan­zen Bevöl­ke­rung von Escholz­matt, die in Schock­starre lag, gab es damals nicht. Sämi Stu­der recher­chierte: «Die Über­le­ben­den wur­den – noch mit durch­näss­ten Klei­dern – nach dem Unglück umge­hend auf den Poli­zei­pos­ten gebracht, befragt und danach nach Hause geschickt oder beglei­tet.» Es gab Fälle, wo Über­le­bende zu Hause die Scheibe ein­schla­gen muss­ten, weil alles mit­samt dem Haus­schlüs­sel im Vier­wald­stätter­see ver­schwun­den war. Auf ande­ren Höfen stan­den Kühe im Stall, doch wer melkte sie am andern Mor­gen? Und spä­ter: wo kom­men die Wei­sen­kin­der unter? Buch und Film geben sub­til Ant­wor­ten; die Mit­tei­lung bei­spiels­wese, dass alle Kin­der in Escholz­matt blei­ben dür­fen, bekommt im Film eine uner­hörte Hoff­nung und Emotionalität.

Zwei Ergän­zun­gen zum Film

Das Dok-Drama musste die Fak­ten und Emo­tio­nen in Bil­dern und Sze­nen umset­zen – im Gegen­satz zum Buch, das sich akri­bisch an Doku­mente hält und fein­füh­lig vom Autor inter­pre­tiert wird. Die Stil­mit­tel die­ses Fil­mes sind Inter­views mit Zeit­zeu­gen und Betrof­fe­nen, nach­ge­stellte Spiel­film­se­quen­zen und Ori­gi­nal-Filme. Bei den fik­tio­na­len Sze­nen gibt es aus der «Schif­fer-Optik» zwei Ergän­zun­gen anzu­brin­gen. Den Film des­halb zu kri­ti­sie­ren wäre aber falsch, meint auch der Ken­ner Rolf Gwer­der: «Ziel die­ser Dok-Sen­dung war wohl nicht die Dar­stel­lung der nau­ti­schen, prä­zi­sen Zusam­men­hänge, son­dern die Ver­ar­bei­tung des Unglücks und das Auf­zei­gen des ein­drück­li­chen Zusam­men­hal­tes der Ein­woh­ner von Escholz­matt. Dies ist mei­ner Mei­nung nach dem Pro­du­zen­ten Rolf Else­ner gut gelungen.»

Die erste Irri­ta­tion betrifft die Rol­len­be­set­zung des Nau­en­füh­rers6, Edu­ard Murer, in Becken­ried «Bodä Edy» genannt. Ihn wie im Film als unsi­che­ren „Pirat“ dar­zu­stel­len, ist für Rolf Gwer­der und mich, die den Bodä Edy gekannt haben, befrem­dend. Als stolz, selbst­be­wusst und eigen­wil­lig kam er mir ent­ge­gen. Und Rolf Gwer­der ergänzt: «Edy war äus­serst klar im Den­ken und sehr direkt in sei­nen Wor­ten. Dem Land­jä­ger, der ihn im Film auf dem Nauen im Bodä befragt hat, wäre Edy kei­nes­falls so ver­wirrt und zöger­lich ent­ge­gen­ge­tre­ten. Zudem hätte er die Fest­mach­er­leine zügig auf­ge­schos­sen und hätte diese nicht hilf­los x‑mal mit sei­nen Hän­den her­um­ge­dreht…!7»

Der Bodä Edy hat eigent­lich nie über das Has­li­horn-Unglück gespro­chen – unauf­ge­for­dert schon gar nicht. Rolf Gwer­der kannte ihn gut und konnte in güns­ti­gen Momen­ten dar­über mit ihm spre­chen: «Edy’s Erzäh­lun­gen zum Has­li­horn-Unglück decken sich zu 100 % mit den Recher­chen in Sämi Stu­ders Buch und den­je­ni­gen der Dok-Sen­dung. Die eine oder andere Bege­ben­heit in die­sem Zusam­men­hang ist mir etwas aus­führ­li­cher in Erin­ne­rung, doch ver­stehe ich, wenn man sich sowohl im Buch als auch in der Dok-Sen­dung an die schrift­li­chen Doku­mente wie etwa Ein­ver­nahme- und Gerichts­pro­to­kolle gehal­ten hat. Dass beim erfah­re­nen Schiffs­füh­rer der ‘Schwalbe’ Alko­hol im Spiel und das Aus­flugs­schiff über­la­den gewe­sen sei hin­ge­gen erin­nere ich mich nicht, aus den Erzäh­lun­gen des Bodä Edy gehört zu haben.» Bei der Obduk­tion wur­den bei Kapi­tän Müller-­Kleinmayer 0,9 Pro­mille im Blut nach­ge­wie­sen und das Schiff war für 30 Per­so­nen zugelassen.

Rolf Gwer­der: «Wenn ich Edy dar­auf ange­spro­chen habe, war deut­lich zu spü­ren, dass die­ses tra­gi­sche Unglück auch nach über 50 Jah­ren bis zu sei­nem Tod immer noch an ihm genagt hat – und wie sein Neffe Mein­rad Grü­ni­ger in der Dok-Sen­dung tref­fend geschil­dert hat, dass seine zeit­weise schlechte Laune nicht zuletzt auch von die­sem Unglück geprägt war. Die Ein­ver­nah­men der Poli­zei, die Unter­su­chun­gen des Statt­hal­ter­am­tes, die erst­in­stanz­li­che Geld­busse und das bei­nahe 11 Monate lange War­ten auf das Urteil des Amts­ge­richts haben Edy sehr belas­tet.» Sämi Stu­der kennt den Grund des lan­gen War­tens: «Trotz der an sich kla­ren Aus­gangs­lage wurde eine Ver­ur­tei­lung des Last­schiff-Kapi­täns Edu­ard Murer als Mit­schul­di­gen ange­strebt. Der Grund: Die ‘Neuenburger’-Versicherung des Unfall­ka­pi­täns wollte einen Teil der Kos­ten so auf jene von Murer umwäl­zen.» Das Amts­ge­richt Luzern Land revi­dierte das erst­in­stanz­li­che Urteil des Statt­hal­ter­am­tes Luzern Land vom 10. April 1945 und sprach den Bodä Edy von Schuld, Strafe und Kos­ten am 4. Sep­tem­ber 1945 frei.

Schnel­ler als gezeigt

Die zweite Irri­ta­tion des Fil­mes ist die «Unter­gangs­szene», die sich ansatz­weise an den Film Tita­nic anlehnt. Rolf Gwer­der: «Mei­ner Mei­nung nach ist der Unter­gang des Motor­boo­tes wesent­lich rascher erfolgt, als er in der Dok-Sen­dung dar­ge­stellt wird: Der Bug des etwa 7 Ton­nen schwe­ren Fahr­gast­schiffs (etwas grös­ser als das im Film ver­wen­dete MB Nico­las der SNG) wurde vom Joch des etwa 39 Ton­nen schwe­ren Nau­ens Schwalmis augen­blick­lich unter Was­ser gedrückt und das Motor­boot durch die Rest­ge­schwin­dig­keit zur Seite gedreht.» Das ging blitz­ar­tig, sodass – im Gegen­satz zum Film – das Schiff nach einer hal­ben Minute bereits sank. Dies bestä­tigt auch der nau­ti­sche Unter­su­chungs­be­richt, ver­fasst von Her­mann Dit­tus, Werft­chef der Zür­cher Dampf­boot AG (heute ZSG) und O. Hager, Werft­chef der D.G. vom Thu­ner- und Bri­enz­er­see (heute BLS): «Es ist rich­tig, dass zwi­schen der Bau­art des Boo­tes und dem raschen Ver­sin­ken ein kau­sa­ler Zusam­men­hang besteht.» Beim Zusam­men­stoss drückte das hohe Joch des Nau­ens das tie­fer gele­gene Pas­sa­gier­boot rich­tig­ge­hend ins Was­ser; der offene Bug­raum füllte sich rasch mit Was­ser. Die Fahr­gäste sas­sen ja in der Schale der «Schwalbe».

Rolf Gwer­der gibt auch zu beden­ken: «Die glat­ten, ‘aus­la­den­den’ Sei­ten­wände des Nau­ens waren denk­bar unge­eig­net, dass sich jemand hätte daran fest­hal­ten, geschweige denn sich hoch­zie­hen kön­nen. Die nied­rige Was­ser­tem­pe­ra­tur an einem 12. Okto­ber und die Tat­sa­che, dass das Gros der Ent­le­bu­cher Hoch­zeits­gäste des Schwim­mens unkun­dig war, wer­den ein Übri­ges dazu bei­getra­gen haben, dass nur gerade 13 Pas­sa­giere geret­tet wer­den konnten.»

Die Rolle der Poli­zei und der Ret­tungs­kräfte wäre durch­aus auch noch ein spa­nen­des Thema für den Film gewe­sen. Anwoh­ner tele­fo­nier­ten der Stadt­po­li­zei Luzern prak­tisch gleich­zei­tig mit dem Gesche­hen, nach­dem sie die Hil­fe­schreie vom See her hör­ten. Dass es dann genau eine Stunde dau­erte, bis die ers­ten Ret­tungs­kräfte (nota­bene noch am fal­schen Ort) ein­tra­fen, war dann im Zuge des dra­ma­ti­schen Ereig­nis­ses kein öffent­li­ches Thema. Pro­to­kol­liert ist, dass zuerst abge­klärt wer­den musste, ob nun der Vor­fall auf dem Gebiet der Stadt Luzern pas­siert sei oder nicht. Je nach dem hätte dann die Kan­tons­po­li­zei aus­rü­cken sol­len. Da beide Korps keine eige­nen Boote hat­ten, tele­fo­nierte die Stadt­po­li­zei dem Schiffs­be­trieb Meier-Klein­mayr und bat um die Zur­ver­fü­gung­stel­lung sei­ner «Schwalbe». Die Frau gab dann zur Aus­kunft, er sei noch nicht zu Hause und mit einer Hoch­zeits­ge­sell­schaft auf dem See unter­wegs… Die Poli­zei musste dann mit ange­heu­er­ten Ruder­boo­ten aus­rü­cken.8

Da war die Welt noch in Ord­nung: Die Braut Pia Stu­der-Port­mann steigt aus der «Schwalbe» für das Hoch­zeit­fest im Hotel St. Niklausen.

Die Poli­zei ver­misst das Unglücks­schiff und erstellt für die Unter­su­chungs­be­hör­den einen Plan. Die Bau­werft des Schif­fes ist noch Gegen­stand wei­te­rer Recherchen.

Die «Schwalbe» wird am 13. Okto­ber 1944 mor­gens um zwei Uhr unter Was­ser in den Hafen Has­li­horn gezo­gen und das Kabi­nen­dach ent­fernt, um die neun in der Kabine ein­ge­sperr­ten Ertrun­ke­nen zu bergen.

Am sel­ben Mor­gen noch wird die «Schwalbe» geho­ben und der Unter­su­chungs­be­hörde übergeben.

Augen­schein auf der wie­der schwim­men­den «Schwalbe»

An zwei Tagen wird der Unfall­her­gang nach­ge­stellt. Dazu dient die fast gleich lange «Aero» von der DGV, rechts der Nauen Schwalmis.

Schiffs­füh­rer Bodä Edy (Edu­ard Murer) vom Nauen Schwalmis

Bil­der Text­teil: Film­pla­kat des Dok-Fil­mes «Es geschah am…»

Der Nauen Schwalmis mit Gäs­ten vom Hotel Edel­wyss im Bodä in Beckenried

Die «Nico­las»9 dient als Dreh­ort für die fik­ti­ven Sze­nen des Dok-Filmes.

Text H. Amstad, Bil­der 1, 2, 3 und 6 aus dem Buch «Die Braut fiel mir aber ins Was­ser»2, Bil­der 4, 5, 7 und Text­teil 2 Archiv R. Gwer­der, Bild Text­teil 3 SNG

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Hin­weise

1) Schiffs­his­to­ri­ker Jürg Meis­ter: «Trau­ri­ger Rekord­hal­ter ist bezo­gen auf die Dampf- und Motorschff­fahrt die ‘Mont-Blanc’ auf dem Gen­fer­see. Im Juli 1892 explo­dierte der Dampf­dom und 26 Men­schen sind mit töd­li­chen Ver­let­zun­gen ver­brüht. Der Zusam­men­stoss des Motor­schif­fes Schwalbe mit dem Nauen Schwalmis hält den Rekord mit der gröss­ten Anzahl der Ertrun­ke­nen. Der Unter­gang der ‘Nep­tun’ auf dem Bie­ler­see for­derte 1880 deren 15 Todes­op­fer. Die ‘Schwalbe’ erin­nert (rein optisch) fatal an den Fall ‘Nep­tun’ vom Bie­ler­see: trotz Auf­bau­ten hat­ten beide Schiffe halt letzt­lich bloss offene Schalen.»

Das grösste Schiffs­un­glück in der Schwei­zer Schiff­fahrts­ge­schichte ereig­nete sich 1687, also vor dem Dampf- und Moto­ren­zeit­al­ter. Rund 60 000 Huge­not­ten, wie die fran­zö­si­schen Pro­tes­tan­ten hies­sen, muss­ten flüch­ten, weil Frank­reich 1658 die Reli­gi­ons­frei­heit ein­schränkte. Die Flucht führte durch die Schweiz als Tran­sit­land. Rei­sen auf Stras­sen und Wegen war damals sehr beschwer­lich, wes­halb der Was­ser­weg wenn immer mög­lich bevor­zugt wurde. Den Hageneck­ka­nal gab es damals noch nicht, so benützte ein Teil des Flücht­lings­stro­mes den Lauf der Alten Aare, die sich stark mäan­drie­rend von Aar­berg Rich­tung Büren und Solo­thurn schlän­gelte. Eines von zwei über­füll­ten und zusam­men­ge­bun­de­nen Weid­lin­gen fuhr auf die­sem Weg auf einen Holz­strunk auf. Die­ser zer­brach und brachte auch den ande­ren zum Ken­tern. Mit 111 ertrun­ke­nen Men­schen ist dies das bis heute grösste Schiffs­un­glück in der Schweiz.

2) «Die Braut fiel mir aber ins Was­ser» Vom Hoch­zeits­fest in die Kata­stro­phe, Schiffs­un­glück 12. Okto­ber 1944 auf dem Vier­wald­stätter­see, Sämi Stu­der 156 S. illus­triert, bei uns erhält­lich (Link)

3) Haupt­rol­len: Domi­ni­que Mül­ler als Gott­fried Stu­der, Judith Koch (super Beset­zung) als Pia Port­mann, Regie Wendy Pil­lo­nel, Dreh­buch und Pro­du­zent Rolf Else­ner; Link zum Film

4) Rolf Gwer­der ist Ver­fas­ser ver­schie­dens­ter Last­schiff- und Nau­en­bü­cher, u.a. hat er sich mit der Doku­men­ta­tion «Nauen auf dem Vier­wald­stätter­see – die Geschichte des Güter­trans­ports mit Motornauen» (ver­grif­fen) einen Namen gemacht. Der Berufs­un­ter­of­fi­zier der Schwei­zer Armee inter­es­siert sich seit sei­ner Jugend für die Nauen auf dem Vier­wald­stätter­see und hatte bedingt durch sei­nen Wohn­ort das Glück, den Bodä Rädi wäh­rend etwa 20 Jah­ren und sei­nen Bru­der, den im Arti­kel erwähn­ten Bodä Edy, ken­nen zu ler­nen. Gwer­der: «Von den bei­den ‘Bedä­ler’ konnte ich sehr viel für meine beruf­li­che und meine pri­vate Zukunft als ‘Frei­zeit­see­gus­ler’ auf dem Vier­wald­stätter­see mitnehmen.»

5) Das MS Aero wurde 1910 durch die Hitz­ler Werft für die Genos­sen­schaft AERO in Luzern gebaut. Es wurde zum Per­so­nen­ver­kehr vom Bahn­hof Luzern zur Luft­schiff­sta­tion Trib­schen ein­ge­setzt. Nach dem ers­ten Welt­krieg kam die „Aero“ in den Besitz der DGV und war dort das erste nicht dampf­be­trie­bene Fahr­gast­schiff. 1959 aus­ge­mus­tert kam es zu diver­sen Eigen­tü­mern und wird seit 2016 durch A. Fischer und N. Schwarz betrie­ben. Der Hei­mat­ha­fen ist Sisikon.

6) Die «Schwalmis»-Besatzung bestand aus dem Schiffs­füh­rer Bodä Edy (Edu­ard Murer) und dem See­hof Sepp (Josef Amstad, Cou­sin mei­ner Mut­ter, dem Ver­fas­ser die­ses Blog­bei­tra­ges) als Bei­mann. Gwer­der: «Die Bezeich­nung ‘Matrose’ ver­wen­det man auf Last­schif­fen nicht.».

7) Bezüg­lich Edy’s Seh­ver­mö­gen hat Rolf Gwer­der Infor­ma­tio­nen aus ers­ter Hand: «Ihm wurde 1935 das linke Auge durch einen unglück­li­chen Vor­fall im Schwa­nen­gässli in Becken­ried durch einen Mes­ser­stich unwie­der­bring­lich ver­letzt. Es ging um einen ver­meint­li­chen Velo­dieb­stahl. Edy war sich sei­ner Beein­träch­ti­gung sehr wohl bewusst und hielt aus­ge­spro­chen Sorge zu sei­nem gesun­den Auge. Zur Auf­recht­erhal­tung sei­ner Füh­rer­aus­weise für Motor­rad, Auto und Güter­schiffe musste er in fest­ge­leg­ten Abstän­den zur Seh-Kon­trolle und hat diese aus­nahms­los bestan­den. Der Bodä Edy war ein erfolg­rei­cher Kranz­schütze. Wäh­rend vie­len Jah­ren wäre ein Rüt­li­schies­sen ohne ihn ein Drama gewe­sen. Als er ein­mal an einem Schüt­zen­fest einen Nuller geschos­sen hat, musste man ihm aller­dings erst die Scheibe brin­gen, bevor er es auch wirk­lich geglaubt hat…»

8) Laut dem Luzer­ner Tag­blatt vom 13. Okto­ber 1944 sol­len dann die bei­den DGV-Schiffe Reuss und Mythen in der Nacht für die Suche und Ber­gung der Ertrun­ke­nen auf­ge­bo­ten wor­den sein. «Die ‘Mythen’ mit ihren star­ken Schein­wer­fern musste dabei von Ger­sau her­bei­ge­holt wer­den. … Den Ber­gungs­or­ga­nen bot sich vor Ort und Stelle ein grau­en­vol­ler Anblick.» In der Kabine sas­sen die Rei­hen der ertrun­ke­ner neben­ein­an­der auf den Bän­ken. «Diese Lei­chen konn­ten erst gebor­gen wer­den, als gegen 2 Uhr mor­gens das Boot … ans Ufer geschleppt und das Dach ent­fernt wer­den konnte.»

9) Die drei betei­lig­ten Prot­ago­nis­ten im Ver­gleich: «Schwalbe», Inha­ber R. Müller­-Kleinmayer, Bau­jahr noch offen, 13 m L, 2.55 m B, 30 Per­so­nen / «Aero», Inha­ber 1944 DGV (heute A. Fischer/​N. Schwarz), Bau­jahr 1910, 13.20 m L, 3.05 m B, 60 Per­so­nen / «Nico­las», Inha­ber heute SNG, Bau­jahr 1901, 11.7 m L, 2.18 m B, 20 Per­so­nen (heute)

All­ge­mei­ner Hinweis

Der Ende Jahr jeweils erschie­nene Medi­en­be­richt über die Ände­run­gen und Neue­run­gen der Schiffs-Ange­bote für die kom­mende Sai­son ent­fällt die­ses Mal. Die Pla­nungs­un­si­cher­heit wegen den behörd­li­chen Mass­nah­men im Zusam­men­hang von Covid-19 ist der­mas­sen gross, dass zur Zeit lei­der keine seriö­sen Aus­sa­gen über die Ange­bote im 2021 gemacht wer­den können.

Wei­ter im Text

Inter­es­san­ter Radio-Bei­trag (Link)

TV-Bei­trag mit dem gan­zen Dok-Film «Bis dass der Tod euch schei­det» (Link)

Aus­züge aus diver­sen Zei­tungs­ar­ti­keln zum Has­li­horn-Unglück fin­det man auch in Heinz Schür­manns Diplom­ar­beit «Schiffs­un­glü­cke auf dem Vier­wald­stätter­see» 1984: S. 64 – 66 und 136/137 (Link)

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