Welt­weit ein­zig­ar­tig: Die Tra­di­tion von Nau­en­tref­fen auf dem Vierwaldstättersee

Ger­sau erlebte am ers­ten Juli-Wochen­ende 2022 sein drit­tes Nau­en­tref­fen. Unter strah­lend blauem Him­mel zogen die 14 anwe­sen­den Nauen meh­rere Tau­send Per­so­nen an, wel­che die fleis­si­gen Güter­schiffe mal aus der Nähe anschauen oder eine Rund­fahrt mit den Ein­hei­ten Repu­blik und Stauf­fa­cher erle­ben woll­ten. Auf den meis­ten der Nauen stan­den die „See­gus­ler“ (lie­be­volle Bezeich­nung der Nauen-Steu­er­leute) für Aus­künfte bereit. Bereits 1990 tra­fen sich neun der damals noch 37 fah­ren­den Vier­wald­stätter­see-Nauen in Ger­sau zu einem ers­ten Tref­fen. 11 Jahre spä­ter prä­sen­tier­ten sich am 7./8. Juli 2001 15 Last­schiffe am 2. Nau­en­tref­fen in Ger­sau. Nun kam es zum 3. Ger­sauer Nau­en­tref­fen, wovon die Bil­der die­ses Berich­tes „erzäh­len“.

Ich wollte im Anschluss vom OK-Prä­si­dent Peter Camen­zind wis­sen: „Wann fin­det das nächste Nau­en­tref­fen statt?“. Er meint: „Das steht in den Ster­nen.» Das OK vom dies­jäh­ri­gen Anlass werde nicht mehr antre­ten, in zehn Jah­ren seien einige über 80. «Ich glaube, das muss wie­der rei­fen» und hofft auf die kom­mende Nau­en­fah­rer-Gene­ra­tion. Bereits vor den Ger­sauer-Nau­en­tref­fen gab es ähn­li­che Anlässe, wie der Last­schiff-Ken­ner Rolf Gwer­der weiss: „1932 fuh­ren anläss­lich der Zen­ten­ar­feier in Luzern zahl­rei­che Nauen zur Leuch­ten­stadt, geschmückt mit Kan­tons­wap­pen-Segeln, um die 600-jäh­rige Zuge­hö­rig­keit von Luzern zur Eid­ge­nos­sen­schaft zu feiern.»

Nebst den ein­gangs beschrie­be­nen Ger­sauer Nau­en­tref­fen sind mir fol­gende Para­den in Erin­ne­rung. Am 28./29. August 1993 war­ben in Flüelen 19 Nauen unter dem Motto „Uri für Uri“ für die Restau­rie­rung des Rad­damp­fers Uri. Es kam dabei die respek­ta­ble Summe von 250 000 Fran­ken zusam­men. Am 29. Okto­ber 2000 fand die Jung­fern­fahrt der „Becken­ried“ II statt, an der sich ins­ge­samt 11 Last­schiffe betei­lig­ten. Wei­ter wurde am Urner Musik­fest vom 10. bis 12. Juni 2005 in Flüelen an Bord von 14 Nauen musi­ziert und gefei­ert. Am 20./21. August 2011 hiess es „Lei­nen los“ für ein wei­te­res Tref­fen in Flüelen. 21 Nauen ver­sam­mel­ten sich eben­falls bei bes­ten Wet­ter­ver­hält­nis­sen und lock­ten über 10 000 Leute an.

Nau­en­tref­fen haben also auf dem Vier­wald­stätter­see eine schöne Tra­di­tion, die es mei­nes Wis­sens welt­weit sonst nicht gibt. Zu ver­dan­ken sind sol­che Anlässe Enthu­si­as­ten und Nauen-Kapi­tä­nen mit Lei­den­schaft. Einige seien hier erwähnt, die mir bekannt sind: Franz­sepp (Bobbi) Arnold, Mein­rad Grü­ni­ger, Peter Camen­zind, Erwin Mül­ler, Lukas Käp­peli, Hugo Baum­gart­ner, Hugo Bür­kli und viele andere. Sie und alle Hel­fe­rin­nen und Hel­fer ver­die­nen an die­ser Stelle ein beson­de­res Kränz­chen. Aus Anlass des nun vor­läu­fig letz­ten Tref­fens werfe ich einen Blick in das von Rolf Gwer­der 2012 ver­fasste Stan­dard­werk über die Vier­wald­stätter­see-Last­schiffe. Ich habe den Autor gebe­ten, die Ände­run­gen der letz­ten 10 Jahre uns zusam­men­ge­fasst zu schil­dern. Eine Aus­wahl von Bil­dern dazu fin­det man im 2. Teil des „gros­sen“ Vierwaldstättersee-Nauenrapports.

Ände­run­gen der Vier­wald­stätter­see-Nauen der letz­ten 10 Jahre (Teil 1)

Adler“ (in Klam­mern jeweils das Bau­jahr 1905)

Die­ser Nauen hat sich inzwi­schen ganz aus dem Mate­ri­al­trans­port-Geschäft zurück­ge­zo­gen und wird von der Firma Arnold & Co. AG in Flüelen aus­nahms­los nur mehr für Per­so­nen­trans­porte eingesetzt.

Becken­ried“ (2000)

Die Eig­ne­rin WABAG heisst nun WABAG Kies AG und ist Teil der JURA Mate­ri­als-Group, wel­che heute dem iri­schen Zement­kon­zern CRH gehört.

Blüemli“ (1928)

2014 wird der ehe­ma­lige Nauen Bür­gen­stock von der Hol­cim Stans­stad an Franz Hat­tan (Berufs­tau­cher) ver­kauft. Wenig spä­ter über­nimmt Alain Blu­mer von der „was​ser​bau​.plus GmbH“ in Grep­pen das Last­schiff, erhöht und ver­län­gert das Steu­er­haus und nennt es seit­her „Blüemli“. Er führt damit diverse Was­ser­bau­ar­bei­ten aus. Neue Imma­tri­ku­la­tion: LU 299 (ex-NW 26).

Fritz“ (1972)

Auch der Nauen Fritz hat den Eig­ner und somit die Imma­tri­ku­la­tion gewech­selt: Er fährt seit 2017 als LU 11 (ex-NW 19) unter der Flagge der SEE­KAG Luzern, wel­che das Schiff von der Hol­cim Rotz­loch gekauft hat. Dabei wurde es neu moto­ri­siert (2 Sca­nia 6‑Zylinder Rei­hen­die­sel­mo­tor mit je 295 kW), Getriebe, Kupp­lun­gen sowie Schot­tel-Ruder­pro­pel­ler wur­den revi­diert und eine Abgas­an­lage mit Aktiv­par­ti­kel­fil­ter eingebaut.

Goli­ath“ (1928÷29)

2013 erhielt auch die­ser Nauen einen neuen Motor (6‑Zylinder MAN mit 220 kW) sowie ein neues Steu­er­haus, gebaut in der Has­ler Werft im Rotz­loch. Ein Jahr spä­ter wurde im Tro­cken­dock der Shiptec in Luzern ein neues Deck ein­ge­baut, nach­dem die Vor­gän­ger­firma (Werft DGV) bereits 1958 das Schiff von Holz auf Stahl umge­baut hatte. Am 16. Januar 2020 stürzte ein 60 Ton­nen schwe­rer Pneu­kran mit einem ange­häng­ten Trans­for­mer von der «Goli­ath» in den See. Der Trans­for­mer hätte auf der Bag­ger­an­lage bei der Ris­le­ten mon­tiert wer­den sollen.

St. Gott­hard“ (1965)

Die „St. Gott­hard“ kommt im Dezem­ber 2002 die Ehre zu, den 117 Ton­nen schwe­ren Haupt­an­trieb der Tun­nel­bohr­ma­schine S‑229 von Luzern nach Flüelen zu trans­por­tie­ren. Diese Maschine hat den Aus­bruch der 11,4 km lan­gen Ost­röhre des neuen Gott­hard-Basis­tun­nel vorangetrieben.

«Guber» (1913)

Neue Erkennt­nisse ergän­zen die Geschichte die­ses inter­es­san­ten Last­schif­fes: So soll Lorenz Mül­ler aus Ger­sau die­ses in den 1910-er Jah­ren eine Zeit­lang gemie­tet haben. Mein­rad Grü­ni­ger hatte die «Guber» zeit­weise im Kan­ton Schwyz als SZ 52 imma­tri­ku­liert. Gegen­über der Buch­do­ku­men­ta­tion lau­ten die Abmes­sun­gen des Schif­fes neu: Länge 24,50 m, resp. Breite 5,50 m. Frü­her hatte die «Guber» einen 3‑Zylinder Sul­zer-Motor (mit 32 PS) eingebaut.

Hai“ (1963)

Seit 2016 kann das Klapp­schiff «Hai» nur noch 414 anstelle von 470 Ton­nen Mate­rial fas­sen und ist neu mit einem 6‑Zyinder Cater­pil­lar-Motor mit 350 PS motorisiert.

Kehr­si­ten“ (ex-Bodä Edy, 1972)

Schiff­meis­ter Edu­ard Murer, der «Bodä Edy» aus Becken­ried liess 1972 den letz­ten Flach­deck­nauen der Schweiz bei der Has­ler-Werft im Rotz­loch erbauen. Er ist aus­ge­rüs­tet mit einer ehe­mals mili­tä­ri­schen Ver­la­de­rampe. 2020 wurde der alte GM-Motor durch einen 6‑Zylinder Sca­nia-Motor mit 250 PS ersetzt und der Nauen erhielt einen neuen Swissradar.

Lop­per“ (1964÷65)

Das Last­schiff Lop­per hat 2019 ein neues Deck bekommen.

Lord“ (1924)

Der Nauen Lord wurde im Zwei­jah­res­rhyth­mus „wei­ter­ge­reicht“: 2014 ver­kauft die Hol­cim das Schiff an Franz Hat­tan (Firma PRO­fes­sio­nal Diving Ser­vice, der es 2016 an Lukas Käp­peli (Inha­ber der „Stauf­fa­cher“) wei­ter­ver­kauft. Käp­peli ver­kauft die „Lord“ 2018 wie­der an die Hol­cim Stans­stad zurück.

Die Muta­tio­nen der andern Vier­wald­stätter­see-Last­schiffe erschei­nen im Teil 2 des (B)Logbucheintrages, wo unter ande­rem auch über das Ver­schwin­den eines his­to­risch wert­vol­len Schif­fes berich­tet wird: Das 1886 von Escher-Wyss in Zürich erbaute Tra­jekt-Schiff BB II für den Thu­ner­see und seit 1898 auf dem Vier­wald­stätter­see fah­rende Schiff DGV 2 ist ver­schrot­tet worden.

Ger­sau und das Wet­ter­glück boten eine herr­li­che Kulisse und Stim­mung am 3. Ger­sauer Nau­en­tref­fen; hier im Bild die vier anwe­sen­den Arnold-Nauen aus Flüelen: (v.l.n.r. Nauen Reuss, Zwing Uri, St. Gott­hard und Uristier).

Bereits am ers­ten Besuchs­tag früh kamen die See­gus­ler, Nau­ti­ker, Inter­es­sierte und Fami­lien nach Ger­sau; die Nauen waren von hin­ten bis vorne, von unten im Maschi­nen­raum bis oben im Steu­er­haus offen für alle.

Mit herr­li­cher und für Nauen unty­pi­scher Bug­form: die „St. Gott­hard“ von der Bas­ler Firma Lais und die „Zwing Uri“ von der Schiff­bau­firma Anders­sen (Deutsch­land) erbaute Nauen haben je einen sog. Mai­er­form2-Bug. Diese Rumpf­form hat cha­rak­te­ris­tisch v‑förmige Span­ten und einen aus­fal­lend gerun­de­tem Vorsteven.

Die „Repu­blik“ stand zusam­men mit der „Stauf­fa­cher“ an bei­den Tagen für Rund­fahr­ten zur Ver­fü­gung, was sehr gros­sen Anklang fand.

Steu­er­mann Erwin Mül­ler, Inha­ber der „Repu­blik“ (Ger­sau gemeint), freut sich, mit vie­len fröh­li­chen Gäs­ten eine stün­dige Runde zu drehen.

Der Nauen Stauf­fa­cher fährt unter dem Eig­ner Lukas Käp­peli mit Fahr­gäs­ten zum Bag­ger an der Risleten.

Auf der „Unter­wal­den“ prä­sen­tierte die eid­ge­nös­si­sche For­schungs­an­stalt für Was­ser­ver­sor­gung, Abwas­ser­rei­ni­gung und Gewäs­ser­schutz (EAWAG) eine inter­ak­tive und umfas­sende Aus­stel­lung über Klein­le­be­we­sen im Vier­wald­stätter­see bis zu den Tsu­na­mis, wel­che der See bereits mehr­fach erlebte. Im Bild beob­ach­ten Besu­che­rin­nen das Plank­ton des Sees.

Die zwei zu Pas­sa­gier­schif­fen umge­bau­ten Nauen fuh­ren am Sams­tag zum Schwimm­bag­ger (Kies­werk) Ris­le­ten, wel­ches extra für das Nau­en­tref­fen den gan­zen Tag in Betrieb war. Das sor­tierte Kies wurde auf die „Goli­ath“ (1928÷29) ver­la­den; im Hin­ter­grund die Ris­le­ten­schlucht mit dem Chohl­tal­bach-Was­ser­fall – eine Wan­de­rung dort­hin gilt aus Geheimtipp.

Bil­der im Text­teil: 1) Impo­san­tes Stell­dich­ein der Last­schiffe in der lieb­li­chen Land­schaft von Ger­sau im Juli 2022. 2) Eines der ältes­ten Nau­en­tref­fen geht auf das Jahr 1932 zurück. 3) Anläss­lich des Urner Musik­fes­tes bil­de­ten 14 Nauen eine stim­mungs­volle Musikbühne.

Untere Bil­der im Text­teil: Still­le­ben mit Last­schif­fen; gemüt­li­ches Bei­sam­men­sein an Bord der „Zwing Uri“; zahl­rei­che Hel­fer wie hier Kari Rohrer ermög­lich­ten erst die erfolg­rei­che Durch­füh­rung des Ger­sauer Nau­en­tref­fens; impo­sante Selbst­la­de­vor­rich­tung der „Uris­tier“.

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Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Hin­weise

1) Im Buch „Nauen auf dem Vier­wald­stätter­see – die Geschichte des Güter­trans­por­tes mit Motornauen“ von Rolf Gwer­der (Aus­gabe 2011) sind diese Tref­fen dokumentiert.

2) Diese Bug­form ist nach ihrem Erfin­der, dem öster­rei­chi­schen Schiff­bau-Inge­nieur Fritz F. Maier (1844 – 1926) benannt und wurde seit den spä­ten 1920-er Jah­ren gebaut.

Fol­gende 14 der ins­ge­samt 33 im Jahr 2022 fah­ren­den Nauen auf dem Vier­wald­stätter­see waren am Ger­sauer Nau­en­tref­fen dabei: Stans, Fritz, Uris­tier, St. Gott­hard, Reuss, Zwing Uri, Kehr­si­ten, Nep­tun, Unter­wal­den, Repu­blik, Guber, Sta. The­resa, Stauf­fa­cher, Pirat.

Quel­len

Gwer­der Rolf, Nauen auf dem Vier­wald­stätter­see, Die Geschichte des Güter­trans­ports mit Motornauen, Alt­dorf 2011

Wei­ter im Text

Ände­run­gen der Vier­wald­stätter­see-Nauen der letz­ten 10 Jahre (Teil 2) Link

«Nau­en­fahrt»: eine lite­ra­ri­sche Annä­he­rung an den Vier­wald­stätter­see mit der «Goli­ath». Link

Mit dem Nauen Stauf­fa­cher den Vier­wald­stätter­see mit ande­ren Augen ent­de­cken. Link

Impres­sum

Text H. Amstad

Bild im Text­teil: 1 Marco Schön­bäch­ler, 2 und 3 Samm­lung Rolf Gwer­der, übrige Heinz Amstad

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